Zwei Siege gegen Top-Nationen stimmen mit Blick auf die Heim-EM positiv. Dank eines spielstarken Mittelfelds und guter taktischer Ideen von Bundestrainer Julian Nagelsmann wirkt das DFB-Team wieder wettbewerbsfähig.

Bei aller spielerischer Klasse, die Deutschland in den beiden Testspielen gegen Frankreich und die Niederlande in den vergangenen Tagen zeigte, war es die Schulter des großgewachsenen Mittelstürmers Niclas Füllkrug, die den Schlusspunkt hinter diese Länderspielpause setzte. Der 31-jährige Angreifer von Borussia Dortmund drückte kurz vor Spielende gegen die Niederlande den Ball über die Linie und bescherte der DFB-Elf damit den zweiten Sieg hintereinander – und ein positives Gefühl, das Fußball-Deutschland bitter nötig hatte.

Generell zeigte sich Deutschland im Vergleich zu den Niederlagen gegen Österreich und die Türkei Ende letzten Jahres nicht nur spielerisch und taktisch verbessert, sondern auch recht effektiv im gegnerischen Strafraum. Bei den vergangenen Turnieren hakte es genau an dieser Torgefahr, sobald der Ball einmal die vorderen Spielfeldzonen erreichte. Doch noch problematischer war bis vor Kurzem das ineffektive Ballbesitzspiel.

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Quelle: t-online

Vorwärtspass-Toni als Spielgestalter

Der Umschwung in Sachen Ballbesitz hat viel mit Rückkehrer Toni Kroos zu tun, der entgegen seinem Ruf als „Querpass-Toni“, den er in manchen Ecken Fußball-Deutschlands besitzt, ein exzellenter Spielgestalter aus der Tiefe ist. Zusätzlich funktionierte die gesamte Spielaufbau-Struktur insofern, als Deutschland zumeist über die Halbräume das Spiel eröffnete und dabei situative Rauten formte, um den Ball schnell weiterspielen zu können. Dieses taktische Element zeigte sich zunächst gegen Frankreich und wurde gegen die Niederlande in nahezu identischer Form wiederholt. Somit werden diese Rauten wohl ein wichtiger Faktor in der deutschen Spielgestaltung während der EM in zweieinhalb Monaten.

Ein weiterer Vorteil der neuen taktischen Muster besteht darin, dass Deutschland um einiges kompakter agieren kann. Kroos sowie sein Mittelfeldpartner Robert Andrich und die vier Offensivspieler davor hielten sich vornehmlich im Zentrum beziehungsweise in relativ geringem Abstand zueinander auf. Dadurch konnte im Falle eines Ballverlustes sofort wieder Zugriff hergestellt werden und Gegenangriffe waren entsprechend möglich. Auch wenn Kai Havertz nominell als Sturmspitze in beiden Testspielen auflief, wechselte sich der Arsenal-Profi mit İlkay Gündoğan und gelegentlich Jamal Musiala bei den Läufen in die Tiefe ab. So war Deutschland für die gegnerischen Abwehrreihen weniger berechenbar.

Kapitän Gündoğan in seiner Rolle nicht optimal aufgehoben

Der Name Gündoğan bringt uns jedoch zu auffälligen Schwachstellen im DFB-Team. Der erfahrene Kapitän mag als Führungsfigur wichtig sein, aber in einer derart offensiven Rolle, quasi als verkappte zweite Sturmspitze, wirkt er alles andere als optimal eingesetzt. Eigentlich ist Gündoğan ein Spieler für den Übergang von Mittelfeld zu Angriff. Da diese Rolle allerdings im aktuellen taktischen System nicht vorhanden ist, was übrigens auch die Chancen von Bayern Münchens Leon Goretzka auf einen Einsatz bei der EM schmälert, hatte Nagelsmann in den vergangenen Tagen Gündoğan weiter vorn ausprobiert. Doch Leroy Sané, der gesperrt fehlte, oder auch der erfahrene Thomas Müller scheinen für eine solche Position besser geeignet.

Zudem taten sich die beiden Außenverteidiger, Joshua Kimmich und Maximilian Mittelstädt, hier und da noch schwer damit, die richtige Dosis in der Offensive zu finden, gerade weil sie als oftmals alleinige Spieler auf ihrem jeweiligen Flügel viel Raum abdecken müssen. Aber das sind Probleme, die sich mit einer fokussierten und ausgedehnten Vorbereitungszeit vor der EM ausbügeln lassen müssten. Zunächst sollten die Anhänger der Nationalmannschaft aufatmen, dass das DFB-Team beim Heimturnier wettbewerbsfähig sein wird.

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