Angststörung oder auch krankhafter Stress auf der einen Seite und Depressionen auf der anderen sind zwei unterschiedliche psychische Krankheiten, so wie ein Bänderriss und ein Knochenbruch verschiedene physische Leiden sind. In einem Beruf mit hohem Druck wie dem Profifußball kann es öfter zu krankhaften Stresserscheinungen kommen. Der ehemalige Nationalspieler Per Mertesacker hat zum Beispiel davon berichtet, wie ihm der Stress vor Spielen so auf den Magen schlug, dass er sich übergeben musste. Das hat aber nichts mit Depressionen zu tun. Depressionen treten – ähnlich wie Krebs – in jedem Alter, in jedem Beruf, in jeder Schicht, in jedem Land auf. Die Vorstellung vieler Menschen, der hohe Druck mache Profifußballer besonders anfällig für Depressionen, ist falsch. Robert wäre nach meiner Einschätzung auch als Lehrer oder Buchautor anfällig für Depressionen gewesen, weil er eine Prädisposition dafür hatte.
Seine Depression hat Robert Enke über Jahre verheimlicht, nicht nur vor Ihnen. Er hatte vor allem Angst davor, seine Karriere beenden zu müssen, wenn er sich mit der Krankheit an die Öffentlichkeit wendet. Wäre das heute anders?
Da bin ich mir sicher. Das Paradebeispiel dafür ist doch Andrés Iniesta, einer der weltbesten Fußballer der jüngeren Vergangenheit, der seine Erkrankung 2018 öffentlich gemacht hat. Er hat es geschafft, mit ihr zu leben und trotzdem im Fußball leistungsfähig zu sein. Solche Beispiele gab es zu Roberts Zeit aber nicht. In Deutschland war da nur der Fall Sebastian Deisler – und der hat wegen der Depression seine Karriere beendet. Heutzutage hätte Robert es Iniesta sicherlich gleichgetan. Die Behandlung wäre ihm dann auch leichter gefallen und vielleicht wäre er heute sogar noch am Leben.
Wie haben Sie reagiert, als Sie von seinem Suizid erfahren haben?
Ich bin aus allen Wolken gefallen, denn ich hatte zu diesem Zeitpunkt ja noch überhaupt kein Verständnis von Depressionen. Ich wusste beispielsweise nicht, dass bei einem schweren Verlauf der Krankheit Suizidgedanken dazukommen können, weil der Stoffwechsel im Gehirn des Betroffenen nicht richtig funktioniert und er aus seiner abgrundtiefen Niedergeschlagenheit und dieser verzerrten Wahrnehmung heraus auf den falschen Gedanken kommt, er werde diese Krankheit nie mehr los – und deshalb Suizid begeht. Das war für mich alles unbegreiflich.










