Seit Wochen streiten Union und SPD über den neuen Wehrdienst. Nun will die Koalition einen „sehr großen Schritt“ weiterkommen. Schon am Mittwoch könnte der Tag der Entscheidung sein.
Gut zwei Stunden plätschert die Anhörung zum Wehrdienst am Montagmorgen im Deutschen Bundestag dahin. Es ist ein wichtiger Termin in der seit Wochen schwelenden Wehrdienst-Debatte. Die eingeladenen Sachverständigen tragen ihre Einschätzungen vor, die Abgeordneten hören interessiert zu oder stellen Nachfragen.
Dann plötzlich wird die bedächtige Ruhe gestört. Falko Droßmann, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, hat offenbar noch eine Rechnung offen. Er wendet sich an den Professor für Militärgeschichte an der Uni Potsdam, Sönke Neitzel, einen der fünf geladenen Experten, der im Vorfeld der Anhörung die SPD ein „Sicherheitsrisiko“ für das Land genannt hatte. Droßmann sagt: Neitzel sei Historiker, und er, Droßmann, habe gelernt, dass Historiker sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Neitzel jedoch betätige sich auch als Experte für die Gegenwart und Zukunft.
Neitzel, der am Montag erneut vor einem möglichen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet in wenigen Jahren warnt, lässt die Provokation abtropfen. „Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Droßmann, die SPD irrlichtert leider in der Sicherheitspolitik hin und wieder umher.“ Neitzel nennt etwa die Debatte über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr, die die SPD jahrelange blockiert hatte. „Sie haben diesem Land damit schweren Schaden zugefügt“, sagt der Professor zum SPD-Mann.
Das kurze Wortgefecht im Verteidigungsausschuss des Bundestags zeigt: In der Wehrdienst-Debatte wird der Ton rauer. Vor einigen Wochen verlor Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Geduld und kippte einen Kompromiss der Regierungsfraktionen kurz vor seiner Verkündung. Der Druck auf die Beteiligten, eine Lösung zu finden, ist enorm: Die Bedrohung durch Russlands hybride Streitkräfte nimmt zu. Zugleich schließt sich allmählich das Zeitfenster für das Wehrdienstgesetz, das zur Abschreckung eben jenes Russlands beitragen und am 1. Januar 2026 in Kraft treten soll. Kriegen die das hin?
Seit Monaten ringen Union und SPD um die Frage, wie der neue Wehrdienst ausgestaltet werden soll. In der Ursprungsversion von Verteidigungsminister Pistorius, die Ende August vom Kabinett verabschiedet wurde, setzte man weitgehend auf Freiwilligkeit.










