Norbert Röttgen erwartet Koalitionen seiner CDU im Osten mit dem BSW. Der Grund: die AfD. Joe Biden hält er für erledigt: „Das wird keiner mehr vergessen.“

Norbert Röttgen (CDU) ist gegen Koalitionen auf Landesebene mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – aber hält sie für fast alternativlos. Müsse die CDU über neue Koalitionen beispielsweise mit dem BSW nachdenken, quasi „zur Rettung des Landes, damit nicht die AfD gewinnt“?, fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend. Das wäre ein gewaltiger Fehler, sagte Röttgen, allerdings taktisch „möglicherweise unausweichlich“.

  • Michael Roth (SPD), Außenpolitiker
  • Norbert Röttgen (CDU), Außenpolitiker
  • Constanze Stelzenmüller, Denkfabrik Brookings Institution
  • Daniela Schwarzer, Politikwissenschaftlerin
  • Fred Pleitgen, CNN-Journalist

„Das ist bestimmt nicht die Rettung des Landes“, sagte Röttgen über Koalitionen mit dem BSW. Auf Landesebene müssten nach den anstehenden Landtagswahlen aber Regierungen gebildet werden. „Und da kommt die AfD überhaupt nicht infrage“, unterstrich der CDU-Außenexperte. Eine Antwort auf die Ängste der Menschen wäre solch eine Zusammenarbeit mit dem BSW jedoch nicht.

Röttgen stellte den etablierten Parteien bei „Maybrit Illner“ ein eher verheerendes Zeugnis aus. „Die Menschen spüren, dass das, was ihnen Angst macht, nicht in guten, kompetenten Händen bei den Parteien ist“, erklärte Röttgen den Rechtsruck. „Es muss gut regiert werden und wir streiten uns momentan einfach zu viel“, räumte sein Kollege im Auswärtigen Ausschuss, Michael Roth (SPD) ein. Er attestierte aber auch den Bürgern eine gewisse Realitätsflucht.

„Wir leben ja auch in einer Form des Biedermeiers“, meinte Roth. „Viele ziehen sich in den eigenen Garten zurück und grillen und der öffentliche Raum ist leer und wird dann natürlich den Demokratieverächtern überlassen.“ Die Zeit des Biedermeier wurde übrigens durch die bürgerliche Revolution 1848 beendet.

Die aus der US-amerikanischen Hauptstadt Washington zugeschaltete Politikexpertin Constanze Stelzenmüller erinnerte bei „Illner“ daran, wie selbst in kleinen Ortschaften in Ostdeutschland Menschen nach den Potsdam-Recherchen von Correctiv auf die Straße gegangen waren. In diesen waren Treffen von hochrangigen AfD-Mitgliedern mit Rechtsextremen aufgedeckt worden.

Ähnlich wie bei Roth klang es dagegen bei Röttgen, als Illner wissen wollte, warum der Ukraine von Europa nicht mehr geholfen wurde. „Weil wir in einer jahrzehntelange Bequemzone gelebt haben, aus der es im Moment nirgendwo politische Führung gibt“, sagte Röttgen. „Wir sind verwöhnt, wir sind bequem.“ Den politischen Eliten attestierte er einen Mangel an Ernsthaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Kompetenz und unterstellte Halbherzigkeit.

Dabei ist Führung gerade so gefragt wie selten. „Biden wackelt, Macron zockt – leichtes Spiel für Nationalisten?“, war diese Ausgabe von „Illner“ überschrieben. Das Überleben der liberalen und sozialen Demokratie sei nicht mehr in Stein gemeißelt, sagte Roth mit Blick auf die Wahlen in Frankreich. „In Frankreich erleben wir eine zertrümmerte Mitte“, meinte er. Präsident Emmanuel Macron, einst „Posterboy“ als überzeugter Europäer, sei „krachend gescheitert“.

„Die Selbstschwächung ist da“, kommentierte Röttgen die von Macron angesetzten Neuwahlen. Er sah den französischen Präsidenten auch in dessen eigener Partei isoliert. Das sei nicht nur eine große persönliche Niederlage, sondern ein historischer Einschnitt für ganz Europa.

Dass Europa sich nicht länger auf die USA stützen darf, machte für die Gäste bei „Maybrit Illner“ zuletzt der Auftritt des US-Präsidenten Joe Biden im TV-Wahlduell deutlich. Denn für die meisten US-Amerikaner ist der Republikaner Donald Trump als klarer Sieger aus der Konfrontation hervorgegangen. „Auch ich war fassungslos, als ich das gesehen habe“, kommentierte Roth das erschreckend schwache Auftreten Bidens.

„Ich würde es noch nicht verloren geben, aber es ist eine furchtbare Ausgangssituation“, urteilte der Sozialdemokrat über den Ausgang der US-Wahl. Röttgen hingegen bekräftigte seine Auffassung: Biden muss so schnell wie möglich den Weg freimachen für einen anderen Präsidentschaftskandidaten. „Das wird auch keiner mehr vergessen“, sagte Röttgen über den Auftritt im TV-Duell.

Aktie
Exit mobile version