Ukraine, Israel, Gaza: Annalena Baerbock ist im Krisenmodus. In Deutschland wird das im Wahlkampf für die Außenministerin zum Problem.

Es gibt Momente, bei denen auch die Außenministerin kurz die Geduld verliert. Wie am Mittwoch. Annalena Baerbock (Grüne) ist im Bundestag, Regierungsbefragung. Gemeinsam mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellt sie sich 90 Minuten lang den Fragen der Abgeordneten. Dabei wird vor allem deutlich: Deutschland befindet sich vor den Europawahlen im Juni und mehreren Landtagswahlen im Herbst bereits im Wahlkampf. Und die Parteien nutzen die Regierungsbefragungen, um ihre eigene Informationsblase zu bedienen. Und besonders Baerbock steht immer mehr im Zentrum des Sturms.

So möchte die AfD die Sanktionen gegen Russland rückgängig machen, trotz Wladimir Putins Invasion der Ukraine. Sie wirft Baerbock blinde Gefolgschaft gegenüber den USA vor, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht dagegen sehen die deutsche Unterstützung für Israel im Gazakrieg kritisch. Baerbock und ihr Ministerium haben schon auf derartige Anschuldigungen reagiert. Sie wirft den Abgeordneten der beiden Parteien im Bundestag vor, nicht zuzuhören. Das ruft Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki auf den Plan, der von der Außenministerin mehr Respekt vor dem Plenum einfordert.

Aber eigentlich geht es nicht um mangelnden Respekt. Baerbock reist von Krisenherd zu Krisenherd, war seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober allein siebenmal in Israel. Es ist das, was ihre Kritiker lange von der Außenministerin gefordert haben: Diplomatie, Gespräche im Hinterzimmer, ohne moralischen Zeigefinger, immer mit dem Leid in den jeweiligen Ländern konfrontiert. Das geht an die Substanz.

Der Job der Außenministerin bringt aktuell sehr viele Unwägbarkeiten mit sich. Auch Baerbock könnte am Ende scheitern, ihr Einsatz in der Legislatur könnte nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Denn über Erfolg oder Misserfolg entscheiden vor allem andere, es liegt wenig in den Händen Baerbocks. Damit werden die Krisen besonders für die Grünen zur Belastungsprobe im Wahlkampf.

Die Grünen im Fall

Einige politische Analysten in Berlin bescheinigen Baerbock, sie habe sich von ihrer Partei entfremdet. Doch am Mittwoch im Bundestag sieht es vielmehr nach einer Distanz zur deutschen Innenpolitik aus. Baerbock wirkt, als habe sie für innenpolitische Ränkespiele keine Kapazitäten, als seien andere Dinge wichtiger. In der Tat: Im Angesicht multipler Krisen ist besonders für sie kaum Zeit für Wahlkampf, keine Zeit für das taktische Tête-à-Tête im Bundestag. Das liegt in der Natur der Sache.

Ein Wort benutzt die Außenministerin in diesen Tagen oft: Dilemma. Natürlich bezieht sie es auf die Komplexität der Krisen der Welt, etwa in der Ukraine und in Gaza. Aber es könnte genauso für ihre Partei, die Grünen, gelten.

Ein Blick auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap vom April zeigt, dass die Deutschen das Thema Zuwanderung mit Abstand als größtes Problem wahrnehmen. Es folgen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auf Platz zwei und drei. Alle drei Themen betreffen die beiden wichtigsten grünen Minister in der Regierung.

Das Thema Asyl ist für die Grünen traditionell problematisch. Baerbock wirbt für mehr Pragmatismus, begrüßt die umstrittene Asylreform der Europäischen Union. Das sieht vor allem die Basis der Partei kritisch. Auch beim Thema Wirtschaft verliert die Partei an Vertrauen: Die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hängt natürlich mit den Folgen des Krieges in Europa zusammen. Aber Unternehmen beklagen sich auch über einen fehlenden Kurs der Ampel in der Wirtschaftspolitik.

In Bezug auf den Ukraine-Krieg dagegen ist Wladimir Putin der Unsicherheitsfaktor. Aber auch die Kommunikation der Ampel ist teilweise unglücklich: Bundeskanzler Olaf Scholz und seine SPD mahnen zur Vorsicht und sehen eine Eskalationsgefahr für Deutschland. Die Grünen und Baerbock streiten dagegen zusammen mit der Union für mehr Entschlossenheit bei der Unterstützung der Ukraine. Das sorgt auch für Kriegsmüdigkeit in Teilen der deutschen Bevölkerung – und kostet Vertrauen. Auch in Teilen der grünen Wählerschaft stößt der Ukraine-Kurs der Partei auf Skepsis, denn die Grünen kommen aus der Friedensbewegung und Putins Krieg zwingt sie teilweise zu einer Neuorientierung, mit der einige Grüne noch fremdeln.

Aktie
Exit mobile version