Samsung in der Kritik wegen Mondbildern: Gefakte Fotos?

Die 100 ist eine magische Zahl. Jedenfalls verwenden sie gern PR- und Marketingabteilungen, wenn sie auf etwas aufmerksam machen wollen. Die Spritzigkeit von Autos wird stets mit der Dauer gemessen, die es braucht, um von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Musikzeitschriften stellen in regelmäßigen Abständen die besten 100 Alben zusammen. Samsung wirbt seit einigen Jahren mit dem 100-fachen Zoom seiner Flaggschiffe der S-Reihe. Dabei kombiniert das Smartphone einen optischen und digitalen Zoom, tastet sich also so weit es geht an das Objekt heran und nutzt die Auflösung des Sensors, um ein Stück des Bildes zu vergrößern.

Was dabei herauskommt, ist wie bei allen Herstellern bloße Effekthascherei. Seit Jahren probieren wir in Tests den 100-fachen Zoom aus. Um überhaupt ein brauchbares Foto zu bekommen, muss das Smartphone extrem ruhig gehalten werden. Am besten steht es auf einem Stativ. Das Ergebnis beeindruckt für wenige Sekunden, weil man sich mit der Kamera eines Smartphones erstaunlich dem Objekt nähern kann. Aber nach längerer Betrachtung wird klar, dass das Foto zu unscharf und verschwommen ist, um es in einem Album zur Wiedervorlage abzulegen.

Den Ball aufgenommen

Samsung lässt mit dem 100-fachen Zoom dennoch nicht locker. Als das S 23 Ultra jüngst auf den Markt kam, warben die Koreaner wieder damit. Nun stand der Mond im Mittelpunkt. „Moon Shots – mit dem Handy zum Mond“, schreibt Samsung auf seiner Homepage. „Experimentiere mit dem Zoom deiner Kamera. Wie nah willst du den Mond zu dir holen? Der 100x Space Zoom des Galaxy S23 Ultra bietet dir für Experimente dieser Art großen Spielraum.“ In der Tat haben einige Tester den Ball aufgenommen und beeindruckende Fotos des Monds gemacht. Dass ausgerechnet der Mond von Samsung als Zoomobjekt ausgewählt wurde, liegt auch daran, dass die Koreaner für das S 23 Ultra mit Nightography warben, also den Möglichkeiten, in der Nacht zu fotografieren.

Doch jeder weiß, dass nicht nur bei diesen Fotos, sondern auch bei allen anderen die KI-Abteilung der Software mithilft, um möglichst scharfe und knackige Bilder zu erzeugen. Nur für den Menschen, der hinter dem Account „ibreakphotos“ steckt und seine Erkenntnisse für das Portal Reddit aufgeschrieben hat, war es offenbar neu. Denn er überschreibt einen Artikel mit „Samsungs Mondaufnahmen mit ‚space zoom‘ sind fake, und hier ist der Beweis.“ Und der funktioniert so: ibreakphotos lud ein unscharfes Foto des Monds auf den Computerbildschirm und fotografierte dieses mit dem Samsung-Smartphone.

Schärfer als die Vorlage erlaubt

Was dabei herauskommt, ist ein Bild, das detailreicher ist als das Motiv auf dem Computer. Samsung hat also nachgeholfen, manch einer würde von einem „Fake“ sprechen. Die Erklärung: Die Software des Smartphones rechnet mit KI-Unterstützung Details dazu und ergänzt sie. In diesem Fall ist das recht einfach, weil die Datenbank, auf welche die KI zugreift, vermutlich verschiedene Perspektiven in guter Qualität enthält.

Neu ist das alles nicht. Nicht nur die Hersteller von Smartphones, sondern auch von TV-Geräten nutzen die Möglichkeiten der KI, um die Bilder hochauflösender zu machen. So können zum Beispiel 8-K-Fernsehgeräte Material in Full-HD oder 4-K-Auflösung hochskalieren, weil die Software mit einer riesigen Datenbank aus Bildern und Mustern trainiert wurde. Die Geräte schärfen dann Bilder, weil sie aufgrund anderer Bilder davon ausgehen können, dass sie so aussehen müssten. Huawei hat unter den Smartphone-Herstellern als einer der ersten damit angefangen. Samsung und andere arbeiten schon lange damit.

Im Falle des Nachschärfens des Mondes, wenn man ihn mit dem 100-fach-Zoom aufnimmt, haben es die Koreaner nun etwas übertrieben. Denn sie werben explizit damit, dass man mit den Flaggschiffen der S-Reihe den Mond so scharf aufnehmen kann und wollen damit die technischen Fähigkeiten der Kamera herausstellen. Aber in Wirklichkeit ist es die Software mit KI-Unterstützung, die sie damit bewerben. Vermutlich lässt sich die KI auch gar nicht aufhalten, den Mond zu schärfen. Es sei denn, man hält die KI auf, dass sie den Mond schärft.

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