Die dunkle Schattenseite der Elektroautos: Elektrisch im Nirgendwo

Die Familienfeier beginnt um 14 Uhr mit einem Gottesdienst. Für die lange Anreise im Elektroauto nehmen wir uns viel Zeit und planen üppige Reserven ein. Doch wieder einmal kommt alles anders. Die vorgesehene Route über die Autobahn mit vielen Schnellladestationen am Wegesrand kommt nach einem Unfall mit Straßensperrung und kilometerlangem Stau plötzlich nicht mehr in Betracht. Wir nehmen die Landstraße.

Zwar gibt es hier und da Ladestationen, aber keine kann’s schnell. Also fahren wir notgedrungen auf Risiko. Da gibt es eine einzige Schnellladestation kurz vor erneuter Auffahrt auf die Autobahn, hinter dem langen Stau. Wir werden aber nur mit minimaler Restreichweite dort ankommen. Nur wenn wir dort schnellladen können, sind wir pünktlich. Wenn nicht, sieht es düster aus.

Düster wirkt auch die endlich erreichte Tankstelle. Sie ist kaum zu finden, eine dunkle Ecke in einem Industriegebiet. Nachts möchte man hier nicht halten wollen oder müssen. Dass alle drei Ladepunkte frei sind, ist hoffentlich kein böses Omen. Und dann beginnt wieder einmal ein Ladedrama wie es im Buch steht: Ladefehler, Abbruch des Ladevorgangs, Authentifizierungsfehler. In der Lade-App geht das Laden voran, obwohl es nicht einmal begonnen hat.

Ladevorgang beenden, Ladestecker erneut in der Station einstecken, das gleiche Spielchen am zweiten Ladepunkt, Um­parken des Fahrzeugs, um nach abermaligen Scheitern den dritten zu erreichen. Dort auch nur Fehlermeldungen. Nach 10, 15 Minuten die Erkenntnis, dass es hier und heute an dieser Station keinen Strom gibt. Was ist die Alternative? Mit den we­nigen verbleibenden Kilometern zu einer lahmen Wechselstromstation fahren, dort eine Stunde lang tanken, um zum nächsten Schnelllader zu kommen? Rechtzeitiges Ankommen ist damit ausgeschlossen.

Das Auto schenkt seit 100 Jahren Freiheit und Unabhängigkeit. Es steht für die Möglichkeit, im Wortsinne jederzeit losfahren zu können. Nun aber sind sorgfältige Planung und behutsames Fahren angesagt. Die Unzulänglichkeiten der Technik bezahlt man mit riesigen Zeitpuffern.

Wenn sich plötzlich die Umstände ändern, wenn die Temperatur umschlägt in Minusgrade und der Verbrauch in die Höhe schnellt oder man jenseits des Schnellladenetzes an Autobahnen fahren muss, wenn lange Umwege wegen Staus und Störungen anstehen, dann gerät man unversehens in die Bredouille. Individuelle, freie Mobilität wird abgekoppelt von den Ressourcen, die man persönlich vorhält und teuer erworben hat. Nur ein Frustmoment, alles wird gut?

Man kann 100.000 Euro für das beste Elektroauto der Welt ausgeben und trotzdem hilflos in der Mitte von Nirgendwo stranden. Manchmal fühlt es sich an, als stünde die Idee des freien Bürgers auch schon dort. Und die freie Fahrt werde das nächste Opfer.

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