Hier sieht man alles doppelt. Auf Podesten, an der Wand oder in Vitrinen stehen und hängen zwei gleiche Gameboys, Autofelgen, Kehrmaschinen, Notfallbeatmungsmaschinen, Bräter, Kühlmittelpumpen, Gießkannen, Wasserkocher, Fonduetöpfe, Schlitten, Schraubstöcke, Duschköpfe, Hochdruckreiniger und noch viel mehr. Einige Produkte dürften den Besuchern ziemlich vertraut vorkommen wie das Fondue von WMF, der Gameboy von Nintendo und der Kinderstuhl Tripp Trapp von Stokke.
Wer ohne Vorwissen dieses Museum in Solingen besucht, das in den hübsch restaurierten Güterhallen des ehemaligen Geländes des Hauptbahnhofs seine Räume gefunden hat, kann aus dessen Namen ableiten, worum es in dieser ständigen Ausstellung geht. Plagiarius heißt es. Seit 2007 drapiert das Museum neben Originalprodukten die Plagiate, die der Verein Aktion Plagiarius schon seit 1977 sammelt. Bekannter als das Museum in Solingen dürfte der gleichnamige Schmähpreis sein, der jährlich vom Verein an die dreistesten Fälscher vergeben wird, darunter Sonderpreise wie Identitätsklau und Faulster Serientäter.
Erhebliches Sicherheitsrisiko
Lustig ist das alles nicht. Christine Lacroix, die den Verein Aktion Plagiarius leitet und sich ebenso um das Museum kümmert, betont immer wieder, dass die Fälscher nicht nur Ideen klauen, sondern mit ihrer Produktpiraterie das Leben von Menschen riskieren und der Umwelt schaden können. Beispiel Beatmungsgeräte: Auf die muss hundertprozentig Verlass sein. Sie durchlaufen ein Zertifizierungsverfahren. Die von einem deutschen Unternehmen kopierte Felge von AC Schnitzer hielt einem Belastungstest beim TÜV Nord nicht stand. Ergebnis: erhebliches Sicherheitsrisiko!
Dass der nachgemachte Bräter von Zwilling nicht nur zu einem mäßigen Bratergebnis führt, sondern eine Gefahr durch Materialüberhitzung ist, lässt sich dadurch erkennen, indem man ihn kurz anhebt. Er ist aus leichtem Aluminium und nicht aus schwerem Gusseisen. Wenn eine Autowerkstatt den gefälschten Multiplexer SD Connect von Mercedes-Benz benutzt, um mit diesem System ein Fahrzeug zu diagnostizieren, könnte ein Mitarbeiter die Software missbrauchen, um den Gurtwarner oder die Höchstgeschwindigkeitsbegrenzung zu deaktivieren.
Museum Plagiarius
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Original und Fälschung
Dass die Fälschung meist schlechter ist als das Original, überrascht Christine Lacroix nicht. „Qualitäts- und Sicherheitskontrollen kosten ebenso Geld wie Zertifizierungen und der Entwicklungsprozess“, sagt die Geschäftsleiterin. Meist wollen die Plagiatoren mit ihren Fälschungen möglichst viel Geld verdienen und investieren wenig in Material und Verarbeitung. Qualität habe eben ihren Preis. Die Bandbreite der potentiellen Plagiate wird immer größer.
Bis zum Anfang des Jahrtausends kopierten Fälscher eher einfache Produkte, weil es technisch zu aufwendig und häufig unmöglich war, komplexe nachzumachen. Da die technischen Möglichkeiten etwa durch Massenfertigung, 3-D-Druck und Digitalisierung besser geworden sind, trauen sich die Fälscher an technisch komplexe Produkte wie etwa den Multiplexer von Mercedes-Benz heran. Früher suchten die Piraten Güter aus dem Konsum- und Luxusbereich, in dem sie nur das Design kopierten.