Ja, denn Deutschland ist kein christliches Land mehr.

Stellen Sie sich ein Land vor, in dem der Gesetzgeber regelt, ob Sie Fußball spielen oder Filme im Kino sehen dürfen. Ob Sie mit Freundinnen und Freunden eine Beförderung feiern können und welche Musik Sie dabei auflegen dürfen. Ein Land, das all diese Eingriffe in Ihr Leben, in Ihre Freiheit, mit der Trauer um eine religiöse Figur rechtfertigt, die für Sie keinerlei Bedeutung hat. Am Karfreitag ist Deutschland dieses Land, für Millionen von Menschen.

Es ist tatsächlich bemerkenswert, wie viel in einem Land, das gemäß seinem Grundgesetz religiös neutral sein will, am Karfreitag aus religiösen Gründen verboten ist. Dabei sollten religiöse Vorschriften, besonders in liberalen, säkularisierten Gesellschaften, ausschließlich für die gelten, die sich für ihre Weltanschauung entschieden haben. Deutschland mag eine lange christliche Tradition haben – aber es ist kein christliches Land mehr.

Mehr als 40 Prozent der Deutschen sind konfessionslos, rund ein Drittel der Menschen im Land versteht sich als nicht religiös – Tendenz steigend. Einige von ihnen sind Atheisten, überzeugt, dass Gott nicht existiert. Agnostiker, wie ich einer bin, sagen: Ich kann es nicht wissen.

Für mich gilt damit: Ich lebe mein Leben nach gewissen Regeln und respektiere, dass andere ihrem Leben ihre eigenen geben. Religion und Spiritualität sind etwas Wunderbares. Doch meine Trauer, meine Gefühle, sind mein Problem, meine Sache.

Niemals käme ich auf die Idee, zu erwarten, dass Regeln geschaffen werden, die an diesen Tagen das Verhalten anderer diktieren. Darauf habe ich keinen Anspruch. Warum bestimmt die Trauer der Christen am Karfreitag dann, was ich an diesem Tag tun darf?

Das Christentum sollte für das öffentliche Leben in Deutschland genauso wenig Bedeutung haben wie beispielsweise der Islam. Warum auch – weil es früher da war als andere Religionen?

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