Viele Menschen erinnern sich gern zurück an die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Eine Bundesbehörde jedoch stellte einen Zusammenhang zwischen dem Turnier und dem Rechtsruck hierzulande her.

Anlässlich der diesjährigen Fußball-EM in Deutschland werfen viele Menschen einen Blick zurück auf das letzte große Fußball-Turnier, das hierzulande stattfand: die Weltmeisterschaft 2006. Deutschland schnitt überraschend stark auf dem dritten Platz ab, Millionen von Menschen fieberten in schwarz-rot-goldene Fan-Utensilien gehüllt mit dem DFB-Team mit. Vielen ist die damalige Fußball-WM daher als positives Ereignis in Erinnerung geblieben.

Nun hat jedoch ein Video der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), das auf dem sozialen Netzwerk Instagram geteilt wurde, die Gemüter vieler User über die Plattform hinaus erregt. Der Grund: Die Bundesbehörde, die dem Bundesinnenministerium untersteht, stellt die Fußball-WM 2006 und den damaligen schwarz-rot-goldenen „Party-Patriotismus“ in einen Zusammenhang mit dem Rechtsruck in Deutschland in den darauffolgenden Jahren.

Das Video ist mittlerweile ohne Angabe von Gründen von der Instagram-Seite der Bundeszentrale gelöscht worden.

Die bpb bezog sich in dem Video auf eine These des Politikwissenschaftlers Clemens Heni. Dieser hatte 2017 in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ erklärt, dass das „Sommermärchen von 2006“ den Boden für die 2014 gegründete Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) bereitet habe, die wiederum für das Erstarken der AfD verantwortlich sei. Heni forscht insbesondere zu Antisemitismus und der Neuen Rechten in Deutschland.

Mit dem Instagram-Video richtete sich die bpb eher an eine jüngere Zielgruppe. Darin stellte die Moderatorin die „edgy“ (zu Deutsch etwa „provokant“ oder „eigen“) Frage: „Sind Poldi, Klinsi und Co. schuld am Rechtsruck in Deutschland?“ Daraufhin gab sie zwar zu, dass die These „steil“ sei, erklärte dann aber, dass durchaus etwas dran sein könnte.

Die Moderatorin warf in dem Video einen kurzen Blick zurück auf das Jahr 2006. Deutschland sei damals vor allem für zwei angefangene Weltkriege „und vielleicht noch den Mauerfall“ bekannt gewesen, behauptet die Moderatorin. Dann aber sei die Fußball-WM 2006 unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ nach Deutschland gekommen. „Und da durften die Deutschen wieder Flagge zeigen, ohne dass es nationalistisch wirkte, weil es halt nur Fußball war“, hieß es weiter. Zudem sei das Phänomen des Public Viewings entstanden, also dass tausende Menschen gemeinsam Fußballspiele schauten – inklusive Fan-Utensilien in Deutschlandfarben. „Party-Patriotismus“ nannte die Moderatorin das.

Im Anschluss an das Turnier sei es dann in Deutschland zu einer „Patriotismus-Afterhour“ gekommen. Als „Afterhour“ wird das Ausklingenlassen einer Party bezeichnet. Weniger als zehn Jahre nach der Fußball-WM 2006 seien dann nämlich Pegida-Anhänger in Dresden auf die Straße gegangen – mit Deutschlandfahnen. Daraufhin habe sich die Rechte hierzulande weiter radikalisiert.

In der Beschreibung des Instagram-Videos schwächte die bpb die provokante These etwas ab: Studien zufolge würden zwar besonders große Sportereignisse und Turniere „das Wir-Gefühl“ stärken und „einen Anstieg des Nationalstolzes“ auslösen. „Andere Untersuchungen kommen aber auch zu dem Schluss, dass diverse Mannschaften mehr Offenheit und Toleranz fördern“, hieß es dort weiter.

In sozialen Netzwerken erntete das Video der Bundeszentrale für politische Bildung vor allem Widerspruch. Der sportpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Philipp Hartewig, nannte das Video auf X „irre“. Der Abgeordnete führt aus: „Ohne Fakten über einen Zusammenhang zwischen dem Sommermärchen 2006 und Pegida sowie rechten Entwicklungen zu fabulieren, entspricht nicht dem Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung.“

Der Journalist Julius Betschka fragte ebenfalls auf X: „Wie geht sowas in der bpb durch? Was sitzen dort für Leute?“ Das Video sei weder „politisch“ noch „Bildung“, sondern lediglich „ziemlich billiger Boulevard“.

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