Russland zielt offenbar jetzt darauf ab, Muslime in Deutschland gegen die Ukraine aufzuhetzen. Ein aktueller Fall geschah in einer Berliner Moschee, es geht um einen Schweinekopf und eine Palästinaflagge.

Von der „Berliner Wochenzeitung“ hatte bis Donnerstag niemand je gehört. Jetzt wird ein Artikel auf einer Webseite mit gleichem Namen weltweit herumgereicht und als Quelle genutzt, um Empörung vor allem unter Muslimen zu schüren. Die Seite ist mutmaßlich Teil einer neuen weltweiten russischen Desinformationskampagne mit vermeintlichen lokalen Nachrichtenseiten. Und Zielscheibe ist die Ukraine.

Die „Berliner Wochenzeitung“, die gar keine Zeitung ist, verbreitete am Donnerstag zeitlich passend zu den für Muslimen wichtigen Freitagsgebeten eine Meldung, von der die Berliner Polizei erst durch eine Presseanfrage erfahren hat und für deren Wahrheitsgehalt wenig spricht: Durch ein geschlossenes Fenster sei ein Schweinekopf in Deutschlands älteste Moschee geworfen worden. „Den Fall hat es nicht gegeben“, sagte am Freitag ein Polizeisprecher t-online.

Tatsächlich wäre ein solcher Vorfall eine große Provokation, weil das Schwein im Islam als unreines Tier gilt. In dem Bericht wird zudem behauptet, Ukrainer hätten die angebliche Tat begangen, um Israel zu unterstützen. Der Schweinekopf sei in eine Palästinaflagge gehüllt gewesen.

Die vor 100 Jahren nach Plänen eines deutschen Architekten gebaute Moschee liegt in einer bürgerlichen Gegend in Wilmersdorf. 400 Menschen fasst der Versammlungsraum. So viele Menschen sind dort allerdings nur selten: Die Moschee ist die deutsche Zentrale der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung, deren Gemeinde in Deutschland keine 100 Mitglieder hat. Sie gehört nicht zur bekannten Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya Muslim Jamaat mit 55.000 Mitgliedern. Dass die Gemeinde so klein ist und mit anderen Muslimen in Deutschland wenig vernetzt, erschwerte es, an Informationen zu gelangen. Ihr Imam liegt zudem aktuell im Krankenhaus.

Fotos in dem Bericht legen nahe, dass tatsächlich ein Schweinekopf in dem Gebäude lag und die Situation dort zumindest inszeniert worden sein könnte. Der Untergrund ähnelt sehr dem Boden der Moschee, im Bild liegt sogar eine Scherbe. Ein Bild zeigt eine palästinensische Flagge, die um einen Gegenstand gewickelt ist. Auf dem zweiten Foto ist die Fahne ausgerollt, darauf liegt ein Schweinekopf und auf der Fahne steht die Formulierung „Ukraine steht für Israel“. Die Formulierung klingt, als sei sie aus einer anderen Sprache ins Deutsche übersetzt worden, genauso wie weitere Teile des Textes.

In der falschen „Berliner Wochenzeitung“ wurde zudem behauptet, von der Polizei solle jetzt ermittelt werden, „ob ukrainische Staatsangehörige an der abscheulichen Tat beteiligt wären [sic]“. Der lag allerdings keine Anzeige vor, erfahren hat sie von dem angeblichen Vorfall erst durch eine Presseanfrage. Nun hat der Staatsschutz am Freitag trotzdem Ermittlungen aufgenommen, fuhr zur Moschee. Es geht um Vortäuschen einer Straftat – mit einer möglichen großen politischen Dimension dahinter. Eine Kontaktaufnahme mit Mitgliedern der Moschee habe ergeben, dass es den geschilderten Vorfall nicht gab, so ein Polizeisprecher. Es ist auch kein Fenster kaputt.

Der Artikel verfolgt eine klare Stoßrichtung: Ukrainer sollen feindlich gegen Muslime eingestellt sein und sich im Gaza-Krieg einseitig auf die Seite Israels schlagen. Die vermeintliche Nachrichtenseite dürfte eigens für die Story angelegt worden sein. Dort stehen wenige weitere aktuelle Texte. Am 18. Juni war die Seite noch völlig leer, am 23. Juni gab es lediglich das Bild eines kotenden Hundes und ansonsten Blindtext. Ein Impressum existiert nicht.

Ein Haufen Mist: Ende Juni sah die „Berliner Wochenzeitung“ noch so aus. (Quelle: Screenshot)

Die nun verfügbaren Artikel wurden zum Teil offenbar von Künstlicher Intelligenz aus Texten anderer Nachrichtenseiten erstellt. Sie sind flüssig lesbar. Der Artikel über den Schweinekopf fällt hingegen durch ungelenke Formulierungen auf.

Die Seite passt in ein Muster aktueller russischer Desinformation: Auch in den USA, in Großbritannien und Frankreich sind in jüngster Zeit Webseiten vermeintlicher Lokalzeitungen neu eingerichtet worden, wie die „New York Times“ Ende Mai berichtete. Die Seiten liegen jeweils auf Servern großer Anbieter in den USA. Die Spuren führen zu einem Amerikaner in Moskau, der ein Geflecht von 160 Webseiten vermeintlicher Nachrichtenmedien aufgebaut hat.

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