Wie Söder in der Migrationspolitik punkten will

In der Zeitung „Bild am Sonntag“ hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder eine „Integrationsgrenze“ ins Spiel gebracht, ohne freilich Details zu nennen. Er sagte nur: „Das Modell der alten und von der CSU durchgesetzten Begrenzung von höchstens 200.000 Migranten pro Jahr hat übrigens unter der großen Koalition funktioniert.“ Was er damit meinte – unklar.

Tatsächlich einigten sich 2017 lediglich die Schwesterparteien CDU und CSU auf die Zahl als Richtwert; Gesetzeskraft  erlangte sie nie. Die 200.000  stammen von Horst Seehofer, Söders Vorgänger, der im Zuge der Flüchtlingskrise  die  „Obergrenze“ für Flüchtlinge verlangte und deswegen massiv mit Bundeskanzlerin Angela Merkel aneinandergeriet. Die Auseinandersetzung eskalierte vollends im sogenannten Asylstreit 2018, als sogar ein Bruch zwischen den Unionsparteien drohte.

Neben Seehofer und dem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bekam Söder, damals schon bayerischer Ministerpräsident, am meisten Gegenwind: von der Opposition, aus der Gesellschaft, auch aus der eigenen Partei. Die Kritik entzündete sich mehr an  Sprache und Gebaren als an Inhalten; Söder etwa hatte das Wort „Asyltourismus“ gebraucht.

Kurz vor der Landtagswahl steuerte er um. Er riss sich rhetorisch am Riemen, vor allem aber distanzierte er sich deutlich von der AfD, was damals, als sie noch nicht so stark war wie heute, freilich auch einfacher war. Söder sprach später von einer „politischen Nahtoderfahrung“. Mit 37,2 Prozent in der Wahl rettete er sich gerade noch so ins politische Fortleben.

Die Umfragen veranlassen die CSU zum Nachdenken

Nun steht die CSU, ausweislich des jüngsten „Bayerntrends“, bei 36 Prozent. Die AfD, die 2018 10,2 Prozent holte, kommt auf 13. Der „Bayerntrend“ förderte noch etwas zutage: Problemfeld Nummer eins für die Leute ist mittlerweile wieder die Zuwanderung. Die CSU trifft das auf dem falschen Fuß. Über viele Monate hatte ihr Chef intern die Devise ausgegeben, bei dem Thema den Ball flach zu halten. Natürlich nahm man in der CSU wahr, wie die Kommunen unter der enormen Belastung durch Asylbewerber und ukrai­nische Kriegsflüchtlinge ächzten, aber man hoffte, sich durch die Betonung der Schönheit Bayerns und  Ampel-Bashing über den Wahltag zu retten.

Seit ein paar Monaten sind allerdings die Zweifel gewachsen, dass das funktionieren kann. Söder hat reagiert. Ende Juli präsentierte er  Vorschläge zur Begrenzung der Zuwanderung: In Asylverfahren solle verstärkt das Sachleistungsprinzip durchgesetzt werden. Auch sollten Asylbewerber vermehrt zur Arbeit verpflichtet werden. Beides kann Bayern unter Berufung aufs Asylbewerberleistungsgesetz selbst ins Werk setzen. 

Söder verweist auf Lampedusa

In der Pressekonferenz nach dem Parteivorstand am Montag begründete Söder seinen neuen Aufschlag mit einem Wort: Lampedusa. „Für alle, die jetzt meinen, das habe was mit einer Landtagswahl zu tun, kann ich nur sagen: Lampedusa kennt keine bayerische Landtagswahl.“ So neu ist der Aufschlag freilich gar nicht: Die Umstellung auf die Sachleistungen kündigte  er ein weiteres Mal an, auch die Arbeitspflicht.

„Bayern legt gerade ein großes Programm auf, damit Asylbewerber bis zur Entscheidung über ihren Aufenthaltsstatus verstärkt gemeinnützige Arbeiten übernehmen können“, sagte er  der „Bild am Sonntag“.

In der Vorstandssitzung am Montag wurde darüber nach Teilnehmerangaben allerdings gar nicht gesprochen. Auch vor der Presse äußerte sich Söder erst auf Nachfrage. Womöglich, weil es gar nicht so leicht ist und die Schaffung neuer Verwaltungsstellen erfordert? Söder deutete das an.

Auch bei der Umstellung auf  Sachleistungen gibt es Haken: Geldüberweisung  ist einfacher. Außerdem sieht das Gesetz die Sachleistungen nur für Aufnahmeeinrichtungen vor. Sobald die Asylbewerber auf die Kommunen verteilt sind, könnten diese „nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht frei entscheiden, ob sie statt Geldleistungen mehr Sachleistungen gewähren“, so Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zur F.A.Z. Hier sei „in erster Linie der Bund gefordert“, dies zu ändern.

Neu an Söders Obergrenzenforderung ist nur das Wort „Integrationsgrenze“. Sie soll, wie gehabt, „Richtwert“ sein, der  erreicht werde, wenn allerlei Maßnahmen ergriffen würden: So will Söder, dass alle Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Es solle  auch keine freiwilligen Aufnahmeprogramme mehr geben, etwa für Afghanen. Auf die Frage, ob die Ukrainer unter den Richtwert 200.000 fielen, sagte Söder, die stünden „auf einem anderen Blatt“.

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