Noch nie hat ein Politiker seinen Standpunkt in der Partei anschaulicher verortet. „Ich bin nicht so der Typ Kreuzberg, sondern eher das Modell Doppelhaushälfte“, sagte Tarek Al-Wazir, als er sich um die Kandidatur für das Amt des hessischen Ministerpräsidenten bewarb. Damit distanzierte der Grünen-Politiker sich deutlich von der linken Szene. Gleichzeitig bekannte er sich zum bürgerlichen Lebensstil.
Der Zweiundfünfzigjährige verfügt über ein ausgeprägtes Sprachgefühl. Darum darf man schon darauf hinweisen, dass er „Doppelhaushälfte“ sagte. „Reihenhaus“ wäre bescheidener und darum politisch wohl geschickter gewesen, war ihm aber vielleicht zu bieder. Bedeutsam ist auch der Satz, den der Wirtschaftsminister dem hübschen Bild in seiner Rede an die Parteifreunde folgen ließ. „Ich gebe es offen zu.“
Al-Wazir ist sich natürlich darüber im Klaren, dass seine Positionsbestimmung manchem in der Partei missfällt. Die Mitte der Gesellschaft ist der selbst gewählte Punkt, von dem aus er die Staatskanzlei in Wiesbaden erobern will. Der Redner wusste genau, was er sagte. Denn niemand kennt die strategische Debatte und deren Terminologie besser als Al-Wazir selbst. Er war es, der die Grünen im November 2009 in einem richtungweisenden Aufsatz auf die „linke Mitte“ festlegte. Das Modell „Doppelhaushälfte“ befindet sich rechts davon.
Ein „Wurzelgrüner“ gegen Al-Wazir
Dass die Partei ihrem Spitzenkandidaten auf seinem Weg nicht ohne Weiteres folgt, zeigte zunächst der „Wurzelgrüne“, der gegen Al-Wazir antrat, als es um den Platz an der Spitze der Liste ging. Für seine scharf formulierte Kritik, dass die Grünen in der Regierung mit der CDU zu viele Kompromisse eingingen, bekam er immerhin 7,5 Prozent der Stimmen. Die ebenfalls vom linken Flügel kommende Grüne Jugend vermochte es, vier sichere Listenplätze zu erringen. Schließlich wurde die für Kompromisse mit dem Koalitionspartner zuständige innenpolitische Sprecherin der Fraktion brutal abgestraft und nach hinten durchgereicht.
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So ist die von den Grünen seit Jahren verkörperte Bandbreite noch größer geworden. Al-Wazir hat sich ein Stück weiter in die Mitte bewegt. Aber ein beachtlicher Teil der Partei hat demonstriert, dass er dem Spitzenkandidaten auf diesem Weg nicht folgt. Vor der Landtagswahl wird der linke Flügel sich ruhig verhalten. Aber danach wird er die neu gewonnene Stärke demonstrieren.