Es war eine handfeste Überraschung am frühen Dienstagnachmittag. Eigentlich machte die CDU gegen 16 Uhr von sich reden, weil das Kreisparteigericht den Ausschluss des vor langer Zeit in der Berliner Parteizentrale in Ungnade gefallenen Mitglieds Hans-Georg Maaßen abgelehnt hatte. Doch das war nur eine Aufwärmübung in Sachen Aufmerksamkeit. Die eigentliche Sensation des Dienstagnachmittags folgte kurz darauf in Form einer Mitteilung des Konrad-Adenauer-Hauses: Der Parteivorsitzende Friedrich Merz trennt sich überraschend von seinem Generalsekretär Mario Czaja. Das sei „einvernehmlich“ geschehen, hieß es vonseiten der Parteizentrale.
Noch am Morgen hatte Merz in einer Hintergrundrunde mit Journalisten gesessen, ohne Unzufriedenheit mit Czaja erkennen zu lassen. In Unionskreisen war dann am Nachmittag zu hören, man sei überrascht. Zu einem offenen Zerwürfnis zwischen dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden und seinem Generalsekretär war es nicht gekommen. Zu hören war nur, dass Merz sich wohl etwas mehr Attacke, etwas mehr „General“ und weniger Sekretär von Czaja erhofft hatte.
Merz erklärt Entscheidung am Mittwoch
Merz wird seine Entscheidung am Mittwoch den CDU-Gremien erläutern und dann der Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz, in der außer Linnemann auch Czaja dabei sein wird. Am Dienstag schickte der CDU-Chef per Twitter die Botschaft vorweg, dass er sich die Entscheidung, einen Wechsel in der Position des Generalsekretärs vorzuschlagen, nicht leicht gemacht habe. „Mario Czaja und ich kennen uns seit vielen Jahren, und ich schätze ihn. Daran wird sich auch nach dieser Entscheidung nichts ändern.“ Merz dankte Czaja „für seine hoch engagierte Arbeit“. Er habe einen großen Anteil daran, dass der CDU nach der vorigen Bundestagswahl ein „erfolgreicher Neustart“ gelungen sei, dass die Partei Landtagswahlen habe gewinnen können und sich „an die Spitze im Ringen um die Wählergunst setzen konnte“.
Dass Linnemann nun der wichtigste Mann an der CDU-Spitze nach dem Vorsitzenden wird, ist weniger überraschend. Die beiden Bundestagsabgeordneten haben ein Vertrauensverhältnis zueinander. Beide geben der Wirtschaftspolitik einen hohen Stellenwert und pflegen ein konservatives Image. Linnemann war von 2013 bis 2018 Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU und CSU und von 2018 bis 2022 stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Er ist Vorsitzender der Programm- und Grundsatzkommission. Wenn nicht beide vom Wirtschaftsflügel und noch dazu aus demselben Landesverband – Nordrhein-Westfalen – kämen, hätte Merz Linnemann vermutlich schon gleich nach seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden zum Generalsekretär gemacht.
Merz und Czaja waren nie Freunde. Czaja stimmte, als Merz zum ersten Mal für den Posten des Parteichefs antrat, für den damaligen Außenseiter Jens Spahn. Als Merz zum zweiten Mal CDU-Vorsitzender werden wollte, machte sich Czaja für Armin Laschet stark. Czaja ist anders als Merz, er kommt aus dem Osten Berlins, einer, der sich das Etikett eines Modernisierers anheftet, und einer, der ein unverkrampftes Verhältnis zur Linkspartei hatte. Vielleicht waren es gerade die Unterschiede, die Merz dazu brachten, den einstigen Berliner Sozialsenator zu seinem Generalsekretär zu machen. Vor allem hatte Czaja es in der Bundestagswahl geschafft, in seinem Ostberliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf die Lokalmatadorin von der Linkspartei, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, klar zu besiegen. Es war eine spektakuläre Erfolgsgeschichte für die CDU in einer Wahl, die ansonsten missraten war.
Das „politische Wunderkind“ blieb blass
Doch im Amt des Generalsekretärs blieb Czaja, der aus einer katholischen Familie in Ostberlin stammt und schon früh in der Berliner CDU als „politisches Wunderkind“ gegolten hatte, auffallend blass. Das Poltern, das ein Generalsekretär können sollte, wollte ihm nicht recht gelingen, im Übrigen übernahm das schon Merz selbst. Czaja war dann eher dafür da, die zugespitzten Aussagen seines Chefs zu relativieren. Von Merz ist nicht überliefert, dass er das zu schätzen wusste.
In der Öffentlichkeit erweckten beide den Eindruck, dass sie einander fremd geblieben waren. Czaja gehöre nicht zum inneren Zirkel um Merz, hieß es aus der CDU, eine Einschätzung, die für einen Generalsekretär verheerend ist. In der Berliner CDU, in der Czaja gerne Partei- und Fraktionsvorsitzender geworden wäre und es doch nicht wurde, hatte der Ostberliner im Sommer 2021 mit Parteichef Kai Wegner gebrochen. Er hatte behauptet, Wegner stehe in seinen Positionen dem rechten CDU-Mann Hans-Georg Maaßen näher als Angela Merkel, und rügte den „riskanten Rechtskurs“ der Berliner CDU.
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Tatsächlich hatte sich Wegner für den Verbleib Maaßens in der CDU eingesetzt; doch Czaja war über das Ziel hinausgeschossen. Als es vor der letzten Berlin-Wahl hieß, die CDU-Bundesspitze wolle Wegner lieber durch Jens Spahn ersetzen, kam Czaja als Urheber des Gerüchts in Verdacht. Nun ist seine Bundeskarriere nach rund anderthalb Jahren erst einmal zu Ende gegangen.