Wahlgesetz träfe nicht nur die CSU

Auf der nach oben offenen Skala politischer Empörungsrhetorik hat die CSU in der vergangenen Woche einen neuen Spitzenwert markiert. Der Generalsekretär der CSU, Martin Huber, verstieg sich dazu, in dem Gesetzentwurf der drei Berliner Regierungsfraktionen zur Änderung des Bundestagswahlrechts einen Putsch gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Die Ampelfraktionen seien im Begriff, „organisierte Wahlfälschung“ zu betreiben, behauptete Huber. Denn man kenne bisher nur aus „Schurkenstaaten“, dass direkt gewählten Abgeordneten der Einzug in das Parlament verwehrt werde. Bisher stand das Bundestagswahlrecht nicht im Verdacht, dass darin rechtsstaatliche, gar verfassungsmäßig verbriefte Wahlgrundsätze auf dem Altar von Parteiinteressen geopfert würden. Genau das unterstellte der CSU-Mann mit seinem von Donald Trump („organisierte Wahlfälschung“) inspirierten Ausbruch.

Daniel Deckers

in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.

Allerdings lesen sich weite Teile der Problembeschreibung und der Begründung der insgesamt 16 Seiten umfassenden Drucksache zu dem Gesetzentwurf so, als nähmen sie mögliche Einwände vorweg. So weisen die Autoren an mehreren Stellen darauf hin, dass der Mechanismus von Überhang- und Ausgleichsmandaten zu einer Zeit entstanden sei, als der Anteil der in den Wahlkreisen gewonnenen Direktmandate dem „Grundcharakter“ der Verhältniswahl entsprach. Die zunehmende Fragmentierung der Zweitstimmenergebnisse habe indes dazu geführt, dass der normative Proporzgedanke nur dadurch habe gerettet werden können, dass der relative Misserfolg der großen Parteien bei den Zweitstimmen bei relativem Erfolg in den Wahlkreisen durch Ausgleichsmandate habe kompensiert werden können.

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