Seit Monaten wird im britischen „Kulturkrieg“ über die Rechtslage von Transpersonen gestritten. Eine Erleichterung des Geschlechterwechsels, wie sie jüngst die schottische Regierung verabschiedete, stößt auf den erbitterten Widerstand der konservativen Regierung in London. Jetzt ist die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon schwer in die Defensive geraten. Ein spektakulärer Einzelfall, den die Liberalisierungsgegner für paradigmatisch halten, hat ihre Transpolitik, „aus der Bahn geworfen“, wie der Chef der schottischen Tories, Douglas Ross, sich ausdrückte.
Im Mittelpunkt der Debatte steht ein verurteilter Vergewaltiger, der sich während des Verfahrens als Frau definierte und deshalb in ein schottisches Frauengefängnis eingewiesen wurde. Nach tagelangen Protesten gab Sturgeon nun am Donnerstagabend nach. Im Parlament von Edinburgh kündigte sie an, dass der Täter, der sich inzwischen Isla Bryson nennt, in ein Männergefängnis verlegt wird.
Sturgeon nahm Bezug auf die „verständlichen öffentlichen und parlamentarischen Bedenken“ und zitierte die Vorsitzende der Frauenhilfsorganisation „Rape Crisis Scotland“ mit dem Satz: „Ich sehe nicht, wie es möglich sein kann, dass ein Vergewaltiger in einem Frauengefängnis ist.“ Dann fügte sie an: „Damit stimme ich überein.“
Geschlechtswechsel durch Selbstidentifikation
Bryson, die in älteren Gerichtsakten als Adam Graham geführt wird, war am Montag in Glasgow wegen Vergewaltigungen zweier Frauen in den Jahren 2016 und 2019 für schuldig befunden worden. Graham hatte seine Opfer über Datingplattformen kennengelernt. Während des Prozesses vor dem schottischen High Court wurde der Jury erklärt, dass Adam Graham ein „toter Name“ sei. Der Richter verwendete den Namen Isla Bryson. Am Montag erschien Bryson mit einer blonden Perücke, einer rosafarbenen Daunenjacke und Handtasche. Das Strafmaß soll Ende Februar verkündet werden.
Erst im Dezember hatte das Parlament in Edinburgh mit großer Mehrheit, aber gegen die Stimmen der Tories, ein Gesetz verabschiedet, das den offiziellen Geschlechterwechsel von 16 Jahren an durch Selbstidentifikation ohne die bisherigen ärztlichen Bescheinigungen ermöglicht. Änderungsanträge, die das Recht für Sexualstraftäter einschränken wollten, wurden abgelehnt. Die Regierung in London entschied unlängst, das Gesetz nicht zu genehmigen. Begründet wurde dies mit der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Das brachte die Schottische Nationalpartei (SNP) und ihren grünen Koalitionspartner auf, die seither rechtliche Schritte prüfen.
Ehefrau spricht von einem „Trick“
Der Fall Bryson hatte in den vergangenen Tagen hohe Wellen geschlagen. Vor allem Frauen äußerten sich fassungslos. Susan Smith von der Frauenorganisation „For Women Scotland“ nannte die Entscheidung, Bryson in das Frauengefängnis Cornton Vale zu schicken, „ekelhaft“. Nach einer Risikoanalyse hätte klar sein müssen, dass Bryson „nicht einmal entfernt in die Nähe vulnerabler Frauen kommen darf, die im Gefängnis sind“.
Die Tory-Abgeordnete Miriam Cates sagte, es sei „schier unmöglich zu glauben, dass in einer zivilisierten Gesellschaft ein Mann, der wegen der Vergewaltigung zweier Frauen verurteilt wurde, in ein Frauengefängnis überstellt wird“.
Bryson, 31 Jahre alt, hatte vor Gericht angegeben, sich schon im frühen Kindesalter unwohl im männlichen Geschlecht gefühlt zu haben, inzwischen Hormone zu nehmen und eine geschlechtsverändernde Operation zu wollen. Brysons Frau Shonna Graham, mit der Bryson in Trennung lebt, sagte, sie sei „vor Lachen aus dem Bett gefallen“, als sie von der Aussage vor Gericht gehört habe. Dies sei ein „Trick“, um sich bessere Haftbedingungen zu erschleichen.
Als Sturgeon im Parlament gefragt wurde, ob sie den Vergewaltiger nun als Mann oder Frau sehe, antwortete sie ausweichend: „Sehen Sie, ich äußere mich nicht zu einer individuellen Person.“ Ergänzend erklärte sie: „In diesem individuellen Fall geht es nicht darum, ob er oder sie trans ist oder nicht. Hier geht es um eine Person, die wegen Vergewaltigung verurteilt wurde. Also ist sie ein Vergewaltiger und ein Sexualstraftäter, und das ist, was wichtig ist.“
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Oppositionsführer Ross bezeichnete es in der Debatte am Donnerstag als „unglaublich, dass Nicola Sturgeon die Festlegung verweigert, ob sie diesen doppelten Vergewaltiger als Mann oder als Frau sieht“. Schließlich sei „dieser üble Verbrecher“ nach der Selbstidentifikationspolitik der SNP eine Frau. „Aber die Ministerpräsidentin weigert sich, dies zuzugeben, weil sie weiß, dass die Öffentlichkeit entsetzt wäre, wenn ein Doppelvergewaltiger als Frau bezeichnet würde.“ Mit Widersprüchen lebt auch die Labour Party. Während der schottische Parteiflügel für das Gesetz gestimmt hatte, fand die Unterhausabgeordnete Yvette Cooper am Freitag deutliche Worte: „Wer eine Gefahr für Frauen darstellt und Verbrechen gegen Frauen begangen hat, darf nicht bei weiblichen Häftlingen untergebracht sein.“