Es sollte ein unkonventioneller Auftakt seiner Kampagne werden. Ein solcher wurde es auch. Wenngleich nicht so, wie Ron DeSantis sich die offizielle Ankündigung seiner Bewerbung um die republikanische Präsidentschaftskandidatur auf Twitter vorgestellt haben wird.
Majid Sattar
Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.
Nahezu eine halbe Stunde hatten Elon Musks Leute mit technischen Schwierigkeiten auf der Audioplattform Spaces zu kämpfen. Immer wieder brach der Übertragungsversuch ab. „Wir haben einfach eine massive Zahl von Menschen, die online sind, deswegen sind die Server etwas überlastet“, sagte der Twitter-Eigentümer, der sich mit Blick auf die Präsidentenwahl 2024 inzwischen offen für die Republikaner ausspricht, zerknirscht. Zwischenzeitlich hatten sich 650.000 Nutzer eingewählt.
Mit Verspätung konnte der Gouverneur von Florida dann seine Botschaft loswerden: „Ich kandidiere als Präsident, um unser großartiges amerikanisches Comeback anzuführen“, sagte er. Das Land bewege sich in die falsche Richtung. Und: „Wir müssen die Verliererkultur beenden, die die Republikanische Partei in den vergangenen Jahren infiziert hat.“ Das war auf Donald Trump gemünzt, der seine Wahlniederlage 2020 weiterhin nicht eingesteht. Doch wirkte die indirekte Attacke DeSantis‘ auf seinen einstigen Förderer angesichts der Panne unfreiwillig komisch. Sein Wahlkampfteam versuchte, das Beste daraus zu machen: Das Interesse der Leute sei Ausdruck der großen Begeisterung, teilte die Kampagne mit. Hatte DeSantis das Risiko kommen sehen? Gleichsam als Ausfallsicherung hatte er noch ein kurzes Video geteilt, in dem es hieß: „Wir brauchen den Mut zu führen und die Stärke zu gewinnen.“
Der „woke Mob“, aber kein Wort zu Trump
Trump wurde von DeSantis während des einstündigen Gesprächs nicht direkt erwähnt. Stattdessen griff der 44 Jahre alte Gouverneur Präsident Joe Biden an, der sich vom „woken Mob“ habe einnehmen lassen. Und wie erwartet, präsentierte er seinen Bundesstaat, den er gern als „Zitadelle der Freiheit“ bezeichnet, als Blaupause für Amerika. Biden lasse Massen von illegalen Migranten über die Grenze kommen. Auch habe dieser das Land den Kartellen ausgeliefert, die Drogen schmuggelten. Er werde das unterbinden. Überhaupt werde er die Politik des Demokraten korrigieren, wieder finanzielle und wirtschaftliche Vernunft walten lassen, die sozialdemokratische Ausgabenpolitik stoppen, linke Ideologien an den Schulen bekämpfen, auf „Law and Order“ setzen – und den Staat wieder verpflichten, seinen verfassungsgemäßen Aufgaben nachzukommen. In Florida habe er gezeigt, dass er „liefern“ könne.
Twitter hatte DeSantis nicht zufällig als Plattform für den Kampagnenauftakt gewählt. Musks Übernahme des Onlinedienstes sei Ausdruck seines Kampfes für Meinungsfreiheit gewesen. Der schrille Multimilliardär, der auch Gründer des Elektroautoherstellers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX ist, sagte seinerseits, er sei auf DeSantis durch dessen Covid-Politik aufmerksam geworden. Er habe seinen Bundesstaat offengehalten, als das restliche Land in den Lockdown gegangen sei. DeSantis nahm das Lob gerne auf. Er sei halt nicht mit der Masse marschiert – und habe sich gegen Washington gestellt. Auch das zielte auf Trump, der in der ersten Phase der Pandemie noch im Weißen Haus saß.
Auf die Trump-Basis kommt es an
Dass DeSantis auf direkte Angriffe auf Trump verzichtete, kam nicht von ungefähr. Will er sich die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei sichern, muss er zumindest Teile der Trump-Basis für sich gewinnen. In Umfragen liegt der frühere Präsident nach einem zwischenzeitlichen Tief nach den Kongresswahlen im vergangenen Jahr wieder klar vorn. DeSantis ist aber der Verfolger im Rennen. Alle anderen Bewerber sind weit abgeschlagen. Und alle Erfahrung lehrt: Noch ist alles möglich.
Der Kampagnenstart sollte eigentlich aus DeSantis‘ Sicht den Eindruck zerstreuen, er habe nach seiner erfolgreichen Wiederwahl als Gouverneur im vergangenen November an Momentum verloren. Die technischen Pannen dürften nicht helfen, sein altes Siegerimage wieder herzustellen. Trump überschüttete seinen Rivalen denn auch mit Häme: „Wow!“ Der Twitter-Start von „DeSanctus“, wie er diesen seit einiger Zeit abfällig nennt, sei ein „Desaster“, schrieb er auf seiner eigenen Plattform Truth Social. Ein solches werde seine ganze Kampagne sein. Auch Bidens Wahlkampfteam nutzte den Patzer: Auf Twitter postete es einen Spendenaufruf unter der ironisches Zeile: „Dieser Link funktioniert“.
In Sachen Meinungsfreiheit ist das neue Kampagnenformat, mit dem DeSantis und Musk den „Gatekeepern“ der Mainstream-Medien zeigen wollten, was eine Harke ist, freilich noch ausbaufähig. Die Fragesteller – es waren bis auf eine Frau ausschließlich Männer – verstanden ihre Rolle eher als Claqueure. Kritische Einwände gab es keine. DeSantis bedankte sich stets höflich für die Vorlagen und erläuterte dann vor allem seinen Feldzug gegen das woke Establishment, zu dem er auch die Großkonzerne zählt. So verteidigte er ausgiebig seinen Kampf gegen den Unterhaltungsgiganten Disney, einen der größten Arbeitgeber seines Bundesstaates, da dieser es gewagt hatte, sich gegen das gesetzliche Unterrichtsverbot von LGBTQ-Themen an Grundschulen zu stellen.
- Veröffentlicht/Aktualisiert:
- Veröffentlicht/Aktualisiert:
- Veröffentlicht/Aktualisiert:
Das kritikfreie Forum gefiel DeSantis so gut, dass er am Ende vorschlug, das Format in Bälde zu wiederholen. Musk selbst fügte hinzu, auch alle anderen Bewerber seien bei ihm eingeladen. Reibungslos funktionierte im Übrigen die formale Bewerbung des Kandidaten: DeSantis hatte kurz vor der Twitter-Event seine Kadidatur beim zuständigen Amt angemeldet. Auf der Website der Bundeswahlbehörde FEC waren die nötigen Formulare abrufbar.