Rentenreform in Frankreich: Macrons Leute brauchen Polizeischutz

Unter Präsident Macrons Gefolgsleuten geht am Tag danach die „Angst vor Repressalien“ um. So formulierte es die Fraktionsvorsitzende von La République en marche, Aurore Bergé, in einem Brief an den Innenminister. Sie forderte Personenschutz für die Abgeordneten der Regierungsmehrheit. Der oberste Ordnungshüter hat die Worte seiner Parteifreundin durchaus ernst genommen. Er wies die Präfekten an, Wahllokale, Bürgerbüros und die privaten Wohnsitze der Abgeordneten unter besondere Beobachtung zu stellen. Die Wut über die Entscheidung der Premierministerin, keine abschließende parlamentarische Abstimmung über die Rentenreform zuzulassen, entlädt sich derzeit überall im Land.

In der Hauptstadt, in der sich aufgrund des Streiks der Müllabfuhr die Abfalltüten stapeln, wurden wilde Feuer entzündet. In der Nähe des Elysée-Palastes wurden vorübergehend Barrikaden aus Mülltonnen und Holzpaletten errichtet. Am Freitag bot sich in etlichen Straßen ein Bild der Verheerung. Der Asphalt war mit verkohlten Müllresten und verstreutem Abfall bedeckt. In unmittelbarer Nähe der Nationalversammlung, auf dem Concorde-Platz, hatten sich am Donnerstagabend Reformgegner versammelt und Mülltonnen sowie Baustellenmaterial in Brand gesetzt. Es kam zu teils tätlichen Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei. Die Ringautobahn Le Périphérique war am Freitagvormittag streckenweise wegen Protestaktionen gesperrt. Nach den nächtlichen Ausschreitungen wurden 310 Randalierer, davon allein 258 in Paris, festgenommen.

Innenminister entsendet Spezialeinheit der Polizei

Innenminister Gérald Darmanin kritisierte im Radiosender RTL „die extreme Gewalt“ der Proteste. In Albi, Marseille, Rennes, Nantes und Paris sei schwerer Sachschaden entstanden. Der Innenminister entschied, eine Spezialeinheit der Polizei (CRS8) nach Rennes zu entsenden. In den sozialen Netzwerken machten Aufnahmen aus Dijon die Runde. Lebensgroße Puppen mit den Konterfeis von Präsident Emmanuel Macron, Premierministerin Élisabeth Borne und Arbeitsminister Olivier Dussopt wurden mit Benzin übergossen und in Brand gesetzt.

Es ist in Frankreich nicht ungewöhnlich, Verfassungsartikel 49.3 anzurufen und die Vertrauensfrage mit einem Gesetzentwurf zu verknüpfen. Hundertmal wurde seit Beginn der V. Republik mit „49.3“ das Parlament diszipliniert. Besonders häufig (28-mal) geschah das unter dem sozialistischen Premierminister Michel Rocard (1988 bis 1991), der bis heute als Reformer bewundert wird. Rocard hatte ähnlich wie Premierministerin Borne nur eine relative Mehrheit und war auf Unterstützung über das eigentliche Regierungslager hinaus angewiesen.

Doch anders als Rocard hat Borne den Eindruck vermittelt, dass sie ohne den Verfassungsartikel auskommen und den demonstrierenden Reformgegnern zeigen könnte, dass es im Parlament eine Mehrheit für die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre bis 2030 gibt. Sie hat ein Kräftemessen Straße gegen Parlament angestrengt.

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