Nach Selenskyjs Besuch: Keine Kampfflugzeuge aus London

Als Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch nach London reiste, schien er ziemlich sicher, dass die Briten ein weiteres Mal – diesmal bei der Lie­ferung von Kampfflugzeugen – das westliche Bündnis anführen würden. Selbstbewusst bedankte sich der ukrainische Präsident „im Voraus für starke englische Flugzeuge“. Doch London wirkt weniger entschieden als in der Debatte um Kampfpanzer. Verteidigungsminister Ben Wallace äu­ßerte sich zuletzt auffällig vage.

Zunächst hatte so ausgesehen, als ob Selenskyjs Rechnung aufginge, als Premierminister Rishi Sunak sagte, nichts sei „vom Tisch“. Das war mehr, als von anderen zu hören gewesen war. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Kampfflugzeuge ausgeschlossen, und auch Washington winkte zunächst ab. Sunak beauftragte sogar das Vertei­digungsministerium, „zu prüfen, welche Flugzeuge wir abgeben können“. Gleichzeitig kündigte er die Ausbildung ukrainischer Piloten an britischen Kampfflugzeugen an. Die Linie des früheren Premierministers Boris Johnson, der die sofortige Lieferung von Kampfflugzeugen fordert, schien sich durchzusetzen. London würde „den Weg für Kampfflugzeuge ebnen“ titelte der „Daily Telegraph“.

Eher langfristige Lösung

Doch Sunaks Worte, die er im Beisein Selenskyjs bei einem Besuch ukrainischer Soldaten in Dorset ge­funden hatte, waren in Wahrheit schon am Abend des Besuchs relativiert worden. Es gehe „eher um eine langfristige Lösung als um eine kurzfristige Kapazität“, präzisierte ein Re­gierungssprecher. Auch kam es zu ei­nem kleinen Schlagabtausch zwischen Sunak und Selenskyj. Als der Premierminister darauf hinwies, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Kampfflugzeugen vom Typ Eurofighter Typhoon drei Jahre dauern würde, entgegnete sein Gast, dass seine Piloten schon seit zweieinhalb Jahren trainieren würden.

Am Donnerstagabend goss Wallace dann noch mehr Wasser in den Wein. Nach einem Ministertreffen in Rom stellte er klar: „Großbritannien hat nie gesagt, dass es auf jeden Fall Kampfflugzeuge in die Ukraine liefern wird.“ Man habe nur gesagt, „dass wir mit der Ausbildung beginnen, um die Widerstandskraft der Ukraine zu verbessern, wahrscheinlich für die Zeit nach dem Konflikt“. Das sei nichts anderes als das, „was wir nach 2015 getan haben, als Großbritannien, Schweden, Amerika und Kanada die Ukrainer ausgebildet ha­ben, um ihre Verteidigung aufzubauen“. Sunak bezeichnete zwar am Donnerstag die Frage von Kampfflugzeuglieferungen als „Teil der Gespräche“, aber sein Sprecher zog gleich Grenzen: „Wir treffen diese Entscheidungen mit großer Vorsicht und Be­dacht. Wir sind uns der möglichen es­kalatorischen Risiken bewusst.“

In einem Interview verglich Wallace den Sprung von bisherigen Waffensystemen zum Typhoon mit dem von einem Fahrrad zu einem Formel-1-Rennwagen. „Ein Kampfflugzeug geht mit einer Boxen-Mannschaft einher“, ohne die „der Wagen gar nicht zu starten“ sei. „Wenn man einen Typhoon gibt, muss man auch eine ganze Menge Leute geben“, sagte er. Laut des früheren Armeechefs Lord Dannatt komme eine Abgabe amerikanischer Kampfflugzeuge des Typs F-35 nicht infrage, während die Tornados gerade ausgemustert würden, womit nur Typhoons blieben. In London heißt es, die F-16, die in europä­ischen Ländern in Gebrauch sind, seien geeigneter für den Einsatz in der Ukraine. Der Typhoon sei außerdem ein Kooperationsflugzeug, dessen Wei­tergabe die Produktionspartner ge­nehmigen müssten – neben Italien und Spanien auch Deutschland.

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