Mit einem Hilferuf haben sich im Rheinischen Revier 45 Bewohner der durch den Kohlekompromiss von der Abbaggerung doch noch bewahrten, aber bereits zu 90 Prozent leergezogenen Dörfer Keyenberg, Kuckum, Beverath sowie Ober- und Unterwestrich an die Behörden gewandt. Bisher hatten die verbliebenen Dorfbewohner Seite an Seite mit den Klimaschützern gekämpft.
Doch die Folgen der Räumung von Lützerath – dem letzten Ort, der im Rheinischen Revier für den Tagebau Garzweiler II abgebaggert werden soll – und vor allem der Großdemonstration am Samstag vor einer Woche haben offensichtlich tiefe Spuren in den zu Erkelenz gehörenden Dörfern hinterlassen; zudem gibt es weiter ein großes Klima-Camp auf dem Keyenberger Sportplatz, das von den Dorfbewohnern als fortwährende Belastung empfunden wird.
„Wir haben schlichtweg Angst und fühlen uns von der Stadt Erkelenz, dem Polizeipräsidium Aachen und dem Land NRW vergessen“, heißt es in einem offenen Brief. Einige der Unterzeichner lebten zwar schon lange mit Großdemonstrationen und Klimaaktivisten als Nachbarn. Aber was nun geschehe, habe einen bedrohlichen Zustand erreicht.
Scheiben eingeschlagen und Böller geworfen
„Ganz offen rufen sogenannte Klimaaktivisten auf, sich gegen den Rechtsstaat aufzulehnen, ‚alle Bullen platt zu hauen‘ und die Dörfer einzunehmen“, berichten die Anwohner. Viele der Aktivisten wüssten gar nicht, dass die Dörfer nun doch erhalten bleiben.
In mehreren Nächten seien Vermummte durch die Orte gezogen, hätten Scheiben eingeschlagen, Böller geworfen und Wände beschmiert. Man habe Aktivisten von Privatgrundstücken vertreiben müssen, die dort einen Campingplatz eröffnen wollten, und sei von den Behörden nicht vorab vom Camp in Keyenberg informiert worden. Die in Kuckum untergebrachten traumatisierten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine seien verängstigt.
Viele der Bewohner von Keyenberg, Kuckum, Beverath sowie Ober- und Unterwestrich hätten selbst für den Klimaschutz demonstriert, seien in ihren Orten geblieben und respektierten rücksichtsvollen, nicht strafbaren Aktivismus. „Aber wir glauben auch an unsere repräsentative Demokratie und akzeptieren, was die von uns gewählten Volksvertreter entscheiden.“
Kompromisse sagten nie allen zu, heißt es in dem offenen Brief abschließend. „Nur zeichnet sich eine Demokratie dadurch aus, dass man die Meinung der Mehrheit respektiert. Hier versucht eine Minderheit sich auf die Demokratie zu berufen, um ihre undemokratischen Ideen umzusetzen.“
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