Die Landwirtschaft ist eine der wenigen Branchen, in denen ostdeutsche Betriebe im Durchschnitt deutlich wirtschaftlicher arbeiten als ihre Pendants im Westen. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Betriebsgrößen im Osten wegen der LPG-Gründungen in der DDR um ein Vielfaches über denen im Westen liegen und die Strukturen nach der Wiedervereinigung im Wesentlichen erhalten blieben.
Stefan Locke
Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.
Gleichwohl übernahm der Bund nach 1989 große, einstmals als „volkseigen“ deklarierte Agrar- und Waldflächen, die er über die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), ein Nachfolgeunternehmen der Treuhand, in den vergangenen Jahren verkaufte oder verpachtete.
Bereits in den vergangenen Jahren hatten Bauernverbände und auch ostdeutsche Politiker die Praxis des Bundes kritisiert, die Flächen möglichst gewinnbringend zu verkaufen beziehungsweise meistbietend zu verpachten, was sowohl zu stetig steigenden Boden- und Pachtpreisen geführt als auch Spekulationen ermöglicht habe. Inzwischen sind von den insgesamt knapp 900.000 Hektar nur noch gut 90.000 im Bundesbesitz, und um die ist jetzt ein heftiger Streit entbrannt.
Privatisierung wurde zunächst gestoppt
Mit der Regierungsübernahme in Berlin hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor einem Jahr zunächst die weitere Privatisierung und Verpachtung dieser Flächen gestoppt. Über das weitere Verfahren gab es unter den Koalitionspartnern unterschiedliche Ansichten. So drangen etwa die Grünen darauf, sowohl den Verkauf einzustellen als auch nicht mehr automatisch an Meistbietende zu verpachten.
Fast ein Jahr dauerte es, bis sich die Ministerien für Finanzen, Landwirtschaft und Umwelt in Berlin einigten: Mitte November verkündeten sie, den Verkauf der restlichen gut 90.000 Hektar im Grunde zu beenden. In den kommenden beiden Jahren sollen nun der BVVG zufolge nur noch maximal jeweils 2000 Hektar zur Erfüllung der Ansprüche von Alteigentümern veräußert werden und knapp 8000 Hektar als für den Naturschutz wertvolle Flächen an die Initiative „Nationales Naturerbe“ gehen. Der große Rest dagegen soll künftig, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, vorrangig an ökologisch beziehungsweise nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe verpachtet werden.
Und genau dagegen laufen die Ost-Bauernverbände Sturm. Denn die Regeln, was unter ökologisch und nachhaltig zu verstehen ist, sind nach wie vor unklar. „Die Frage ‚Was versteht der Bund unter nachhaltig?‘ ist bisher nicht beantwortet“, sagt Manfred Uhlemann, Hauptgeschäftsführer des Sächsischen Landesbauernverbandes. Ihm zufolge hat der Bund über die BVVG in diesem Jahr ökologisch wirtschaftende Betriebe bevorzugt. „Dafür gibt es keine Grundlage“, sagt Uhlemann. „Wir wollen, dass auch nachhaltig wirtschaftende Betriebe hier gleiche Rechte haben.“
„Benachteiligung konventioneller Betriebe beenden“
Tatsächlich hat die BVVG 2022 von insgesamt 17.400 Hektar Acker- und Grünland 79 Prozent an ökologische Betriebe verpachtet, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. 2022 sei ein „Übergangsjahr, da zur Sicherstellung der Ernährungssituation alle Flächen verpachtet werden“. Allerdings wurden die Pachtverträge für Ökobetriebe im „Übergangsjahr“ für sechs Jahre geschlossen, während alle anderen Betriebe, die den Zuschlag erst in einer weiteren Ausschreibungsrunde erhielten, wenn kein Ökobetrieb ein Angebot abgab, lediglich Pachtverträge über ein Jahr bekamen.
Vor allem konventionell wirtschaftende Betriebe sehen sich durch diese Praxis schwer im Nachteil. In einem gemeinsamen Brief an Bundesfinanzminister Lindner fordern deshalb die fünf ostdeutschen Bauernverbände „die bislang praktizierte Ungleichbehandlung von ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betrieben“ zu beenden, die „unseres Erachtens keine Rechtfertigung im Koalitionsvertrag findet“, heißt es in dem Schreiben, das der F.A.Z. vorliegt. Vielmehr sollte die Flächenvergabe am in der EU-Agrarpolitik niedergelegten Grundsatz der nachhaltigen Bewirtschaftung anknüpfen.
„Sofern ein Landwirtschaftsbetrieb EU-Agrarförderung erhält, wirtschaftet er nachhaltig und sollte dementsprechend berechtigt sein, sich an Ausschreibungen von BVVG-Flächen gleichermaßen zu beteiligen“, so die Präsidenten der Bauernverbände aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
BVVG erarbeitet derzeit Regeln für Verpachtung
„Wir lehnen es ab, wenn der Staat festlegt, dass nur ökologische Betriebe etwas für die Umwelt tun“, sagt Uhlemann. „Das ist eine Ungleichbehandlung, und die steht ihm nicht zu.“ Ihre Hoffnung setzen die Verbände nun in ein Gespräch mit Lindner, das es Anfang des neuen Jahres geben soll. „Wir haben klare Vorstellungen und hoffen, dann auch die von Christian Lindner kennenzulernen“, so Uhlemann. Die BVVG wiederum erklärt, dass die Regeln für die künftige Verpachtung „derzeit erarbeitet“ würden.
Entwarnung gibt das Staatsunternehmen unterdessen bei der Entwicklung der Bodenpreise. Die seit 2007 auf dem Weltmarkt zu beobachtende Preisdynamik habe sich „deutlich abgeschwächt, was sich auch in der Höhe der von der BVVG erzielten Kauf- und Pachtangebote niederschlägt, die die an den Ausschreibungen teilnehmenden Betriebe abgaben“. So habe 2021 der durchschnittliche Hektarpreis bei 21.080 Euro gelegen, nach 20.625 Euro im Jahr zuvor.
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Die Pachtpreise wiederum seien im vergangenen Jahr mit 448 Euro je Hektar nahezu unverändert geblieben. Zugleich wies die BVVG den Vorwurf zurück, Flächen gewinnmaximierend zu veräußern oder zu verpachten. Die Preise seien „Ausdruck der allgemeinen Marktentwicklung“, und dem Gros der Vertragsabschlüsse lägen Ausschreibungen zugrunde, „die Gebote der Marktteilnehmer und deren Zukunftserwartungen“ repräsentierten.