Kampfpanzer für Ukraine, ja oder nein?

Der Abstimmungsbedarf beim Treffen der militärischen Unterstützer der Ukraine ist bei ihrer achten Zusammenkunft in Ramstein so groß wie vielleicht noch nie. Das liegt vor allem an der Debatte darüber, ob Kampfpanzer an die Ukraine geliefert werden sollen. Deutschland steht – ob berechtigt oder nicht – in der Kritik, weil die Bundesregierung auf der Bremse steht, noch mehr aber, weil niemand mehr so genau versteht, was Berlin in der Frage für ein Ziel verfolgt. Für den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius dürfte das Treffen zur ersten Bewährungsprobe auf internationalem Parkett werden.

Dass der Druck nicht nachlassen wird, sich in der Kampfpanzer-Frage zu bewegen und die Lieferung von Leopard 2 zu ermöglichen, wurde schon zum Auftakt deutlich. Nachdem der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd James Austin III. die Teilnehmer aus rund 50 Staaten begrüßt hatte, erschien auf den Monitoren der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj; bleich, müde und in schwarzem Pullover. Den Dank für die bisherigen Lieferungen hielt der 44 Jahre alte Politiker so knapp, wie es ein Minimum an diplomatischer Verlegenheit verlangt. „Wir sehen die Ergebnisse in der Ukraine auf dem Schlachtfeld gegen unseren gemeinsam Feind. Danke“, sagte Selenskyj.

„Kannst Du Leoparden liefern oder nicht? Dann gib‘ sie her!“

Den Rest seines Grußworts nutzte der ukrainische Präsident für einen eindringlichen Appell, ohne Berlin beim Namen nennen zu müssen. Das hatte er am Donnerstagabend schon in der ARD getan. Da hatte Selenskyj gesagt: „Ihr seid doch erwachsene Leute. Sie können gerne noch sechs Monate lang so reden, aber bei uns sterben Menschen – jeden Tag.“ Und er appellierte: „Kannst Du Leoparden liefern oder nicht? Dann gib‘ sie her!“ Die Zeit, hob Selenskyj in der Videoschalte am Freitagmorgen hervor, laufe für Russland, bleibe in seinen Händen eine „Waffe“. Deshalb „müssen wir das Tempo erhöhen“. Es stehe in der Macht der anwesenden Verteidigungsminister, das Treffen zu einem „Ramstein der Panzer“ zu machen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht per Videoschalte am Freitag in Ramstein


Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht per Videoschalte am Freitag in Ramstein
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Bild: EPA

Auf wen sich die Ukraine vor allen anderen verlassen kann, konnte Austin mit der Vorstellung des jüngsten amerikanischen Hilfspakets demonstrieren, das er anfangs vorstellte. Die amerikanische Regierung hatte am Donnerstag das Paket im Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar veröffentlicht. Es ist damit eines der umfangreichsten seit Kriegsausbruch und umfasst erstmals auch 90 Stryker-Radpanzer, die in manchen Varianten auch mit schweren Waffen ausgerüstet sind. Zudem erhält die Ukraine ein weiteres Los an Bradley-Schützenpanzern im Umfang von 59 Stück, die schwerer und langsamer als die Stryker sind.

Hinzu kommen unter anderem Hunderte weitere gepanzerte Fahrzeuge, mehr als hunderttausend Schuss an ungelenkter Artilleriemunition sowie etwa 600 Schuss präzisionsgelenkter Artilleriemunition des Kalibers 155 Millimeter. Mit vergleichbaren Granaten aus deutscher Produktion lassen sich angeblich Ziele in einer Distanz von bis zu 70 Kilometer Entfernung auf einen Meter genau treffen. Zudem erhält Kiew NASAMS-Flugabwehrraketensysteme in ungenannter Zahl, um sich besser gegen die russischen Angriffe zur Wehr setzen zu können.

Nicht enthalten im jüngsten Hilfspaket der Amerikaner sind Kampfpanzer M1 Abrams und ballistische Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS, die weiterhin beide auf der Wunschliste der Ukrainer stehen. Auch aus anderen Staaten waren bis zum Beginn des Treffens keine weiteren Zusagen über Kampfpanzer für die Ukraine zu vernehmen. Damit bleibt es zunächst bei den 14 Challenger 2 der Briten – gerade genug für eine Panzerkompanie. Finnland verdreifachte mit dem jüngsten Paket seine Finanzhilfe auf 590 Millionen Euro, führte aber keine Leopard 2 auf.

Aus Polen hieß es, man schließe eine Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine auch ohne Zustimmung Deutschlands als Herstellerland nicht aus. Warschau sei zu einer solchen nicht standardgemäßen Handlung bereit, sagt Vize-Außenminister Pawel Jablonski dem privaten Radiosender RMF FM. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es indes weiter, eine offizielle Anfrage zur Freigabe einer solchen Lieferung an die Ukraine sei weiterhin nicht in Berlin eingegangen.

Die Slowakei und die Tschechische Republik unterstützen das Ansinnen, der Ukraine schwere Kampfpanzer Leopard 2 aus deutscher Produktion zu liefern. Das erfuhr die F.A.Z. aus diplomatischen Kreisen. Beide Länder könnten anbieten, vorerst auf die weitere Auslieferung zu verzichten und die Panzer an die Ukraine weiterzuleiten.

Die Ukraine wird am Freitagmittag in jedem Fall noch einmal versuchen, in der Kampfpanzerfrage voranzukommen. Zum Mittagessen lädt das Land Delegationen aus Teilnehmerländer zu einem „Panzer-Lunch“. Deutschlands Verteidigungsminister Pistorius wird erwartet.

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