Jens Stoltenberg in der Türkei: Große Probleme mit Schweden

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat am Donnerstag ausführlich dargelegt, warum sein Land erwägt, den NATO-Beitritt Finnlands unabhängig von Schweden zu ratifizieren. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wies er dessen Einschätzung zurück, dass beide Länder die Verpflichtungen erfüllt hätten, die sie in einer gemeinsamen Erklärung mit der Türkei im vorigen Jahr eingegangen waren.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

„Mit Finnland haben wir kein größeres Problem. Aber wir streichen heraus, dass Schweden konkrete Schritte unternehmen sollte“, sagte Cavusoglu. Es reiche nicht, wenn die türkischen Bedingungen „nur auf dem Papier“ erfüllt würden, dies müsse sich auch in konkreten Handlungen niederschlagen. So würden die kurdischen Gruppen PKK und YPD in Schweden weiterhin Kämpfer rekrutieren, Terrorismus finanzieren und in der Öffentlichkeit ihre Symbole und Poster mit ihrem Führer zeigen.

Stoltenberg traf anschließend mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammen. Dabei ging es neben der Hilfe für Erdbebenopfer – der Anlass seines Türkei-Besuchs – auch um den NATO-Beitritt der beiden Länder. Von den dreißig Mitgliedsstaaten der Allianz haben nur Ungarn und die Türkei deren Beitrittsprotokolle noch nicht ratifiziert. Erdogan hatte Ende Januar öffentlich gesagt, dass sein Land „Finnland eine andere Botschaft übermitteln“ könnte und „Schweden schockiert sein würde, wenn es unsere Botschaft sieht“. Seitdem hat Ankara mit Stoltenberg eine getrennte Ratifikation erörtert.

Am Dienstag äußerte der NATO-Generalsekretär erstmals öffentlich, dass es nicht darauf ankomme, dass beide Länder gleichzeitig ratifiziert würden, sondern so schnell wie möglich. „Es ist allein die Entscheidung der Türkei“, bekräftigte Stoltenberg in Ankara.

Die ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen der Türkei und Schweden haben sich weiter abgekühlt, nachdem Aktivisten eine Puppe, die Erdogan ähnlich sah, in Stockholm an den Füßen aufgehängt hatten und ein Rechtspopulist vor der türkischen Botschaft einen Koran verbrannt hatte. Stoltenberg nannte die Verbrennung nun eine „schändliche Tat“ und verwies darauf, dass auch die schwedische Regierung dies klar verurteilt habe. „Nicht alle Taten, die schändlich, unmoralisch oder provozierend sind, sind verboten“, fügte der NATO-Generalsekretär hinzu.

Cavusoglu erwiderte, dass man sich darüber im Klaren sei, dass diese Handlungen unternommen würden, um Schwedens NATO-Beitritt zu verhindern. Gleichwohl handle es sich um ein islamophobes „Hass-Verbrechen“, das gegen internationales Recht verstoße.

Stoltenberg war nach dem Treffen der NATO-Verteidigungsminister am Mittwoch in die Türkei geflogen. Am Donnerstag wollte er sich selbst ein Bild von der Lage im Erdbebengebiet machen. „Dies ist die Naturkatastrophe mit den meisten Todesopfern auf dem Boden der Allianz seit Gründung der NATO“, sagte er in Ankara. Das Bündnis koordiniert Hilfe für die Überlebenden und hat provisorische Unterkünfte geliefert.

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