Hessens Polizeipräsident Robert Schäfer geht davon aus, dass die Polizei auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiter mit der Analyse-Software Hessendata arbeiten kann. „Hessendata kann fortgeführt werden“, sagte Schäfer am Donnerstag in Karlsruhe. Die einschränkenden Vorgaben des Gerichts hätten aber zur Folge, „dass mit Daten nicht so umgegangen werden kann, wie das bisher der Fall war“. Auf die Frage, ob deshalb in Zukunft weniger Straftaten verhindert werden könnten, sagte Schäfer, das lasse sich nicht prognostizieren.
Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) hält ebenfalls den Einsatz der umstrittenen Datenanalyse-Software Hessendata auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglich. Das Urteil habe die Notwendigkeit moderner Analysewerkzeuge für die Polizeibehörden grundsätzlich anerkannt und ermögliche den weiteren Einsatz von Hessendata.Der hessische GdP-Landeschef Jens Mohrherr erklärte, geeignete Software ermögliche „die ermittlungsrelevante Datenauswertung in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Straftat“. Das sei letztlich „praktizierter Opferschutz“.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Donnerstagmorgen die Regelungen zum Einsatz einer neuartigen Datenanalyse-Software bei der Polizei in Hessen und Hamburg für verfassungswidrig erklärt. Eine automatisierten Anwendung zur Datenanalyse oder -auswertung greife in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von alljenen ein, deren Daten verarbeitet würden, also möglicherweise auch von Zeugen und Opfern. Eine verfassungsgemäße Ausgestaltung sei aber in engen Grenzen möglich, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Gerichtspräsident Stephan Harbarth, bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. (Az. 1 BvR 1547/19 u.a.). D
Kampf gegen organisierte Kriminalität und Kinderpornographie
Mit der neuen Analyse-Software für riesige Datenmengen will die Polizei potentiellen Straftätern schneller auf die Spur kommen. Das Programm durchforstet Datenbanken, um Querverbindungen zu entdecken, die den Ermittlern sonst vielleicht nie auffallen würden.
In Hessen, wo die Polizei schon seit 2017 mit der Software arbeitet, bekommt der Gesetzgeber bis spätestens Ende September Zeit, die problematische Vorschrift neu zu regeln. Bis dahin bleibt sie mit deutlichen Einschränkungen in Kraft. In Hamburg wird die Technik noch nicht genutzt, hier erklärte das Gericht den Passus für nichtig.
Indirekt hat das Urteil auch Auswirkungen auf andere Bundesländer. Nordrhein-Westfalen setzt die Software ebenfalls bereits ein. Bayern arbeitet gerade an der Einführung – als Vorreiter für andere Länder und den Bund. Der Freistaat hat mit dem US-Unternehmen Palantir einen Rahmenvertrag geschlossen, damit alle anderen Polizeien dessen Programm ohne zusätzliche Vergabeverfahren übernehmen können.
In Hessen werden zunächst einmal nur Daten aus Polizeibeständen ausgewertet. In einer der Datenbanken sind allerdings auch Opfer und Zeugen erfasst – oder jemand, der einmal einen Kratzer am Auto zur Anzeige gebracht hat. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Überprüfung in Karlsruhe angestoßen hatte, hält das für hochproblematisch. Das Programm mache auch vor unbescholtenen Menschen nicht Halt. Außerdem sei die Verlockung groß, mit der Zeit auch externe Daten einzuspeisen – etwa aus sozialen Netzwerken.
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Eingesetzt wird Hessendata – so der Name des Programms – insbesondere zur Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Kinderpornographie. Bei rund 14.000 Abfragen jährlich arbeiten landesweit mehr als 2000 Polizistinnen und Polizisten mit dem System. Sie sind jeweils nur für ihren Zuständigkeitsbereich freigeschaltet.
Das Urteil betrifft ausschließlich die Datenanalyse zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Als Kläger waren Journalisten, Anwältinnen und Aktivisten aufgetreten. Die GFF hatte im Herbst noch eine dritte Verfassungsbeschwerde wegen der NRW-Software eingereicht. Diese war in dem Verfahren aber nicht mehr berücksichtigt worden.
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