Frankreich und Italien streiten wegen Migration

Eine deutsch-französische Übereinkunft bildet den Hintergrund für die jüngste Verstimmung zwischen Paris und Rom zum Dauerstreitthema Immigration. Innenminister Gérald Darmanin hat am Donnerstag in einem Fernsehgespräch das Vorgehen der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kritisiert: „Meloni leitet eine Regierung der extremen Rechten (…), die unfähig ist, das Migrationsproblem zu lösen, für das sie gewählt wurde.“ Meloni sei wie Marine Le Pen, sie verspreche viel, „aber ist unfähig, dem Migrationsdruck standzuhalten.“ Der italienische Außenminister Antonio Tajani wies die „inakzeptablen“ Äußerungen des Innenministers zurück und sprach von „Beleidigungen“. Er sagte sein Treffen mit Außenministerin Catherine Colonna am Donnerstagabend in Paris kurzfristig ab. Bei dem Antrittsbesuch in der französischen Hauptstadt sollte es neben der Ukraine auch um die europäische Asyl- und Einwanderungspolitik gehen.

In Paris ist man seither um Schadensbegrenzung bemüht. „Gérald Darmanin wollte sagen, dass diejenigen lügen, die behaupten, mit einem Fingerschnips das Immigrationsproblem regeln zu können“, sagte Energieministerin Agnès Pannier-Runacher am Freitag dem Fernsehsender LCI. Regierungssprecher Olivier Véran verwies auf Dänemark als Vorbild in der Migrationspolitik. Die extreme Rechte habe nicht die richtigen Antworten, sagte er im Fernsehsender CNews am Freitag. Das habe Darmanin aufzeigen wollen.

Kritik vom Rassemblement National

Außenministerin Colonna rief Tajani an und äußerte die Hoffnung, dass er seine Reise bald nachhole. „Die Beziehung zwischen Italien und Frankreich gründet auf gegenseitigem Respekt“, sagte sie. In einem Kommuniqué verwies das Außenministerium darauf, dass es „in einem Geist der Solidarität“ die Herausforderung der Migrationsströme gemeinsam mit Italien aufnehmen wolle. Frankreich und Italien haben Ende November 2021 einen Freundschaftsvertrag nach dem Vorbild des Aachener Vertrags unterzeichnet. Doch bereits im November 2022 kam es zu einem heftigen Streit, weil Rom es ablehnte, das Schiff der Hilfsorganisation SOS Méditeranée Ocean Viking mit 234 Migranten an Bord anlanden zu lassen. Die Ocean Viking durfte schließlich den Hafen von Toulon anlaufen. „Italien hat sich unmenschlich verhalten“, kritisierte Darmanin damals.

Hinter der neuen forschen Kritik des Innenministers steht die Befürchtung, dass Italien als Transitland das neue Migrations- und Asylpaket der EU-Kommission ablehnen könnte. Mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat er sich bei dem vertraulichen Treffen in Paris darauf verständigt, unter Hochdruck auf eine europäische Einigung über härtere Regeln hinzuwirken. Geplant sind geschlossene Transitzentren für abgelehnte Asylbewerber und andere Schutzsuchende sowie beschleunigte Asylverfahren von maximal drei Monaten an den EU-Außengrenzen. In Paris ist man hoch erfreut, dass Faeser diesen harten Kurs fortan unterstützt.

Darmanin steht unter Druck des Rassemblement National, aber auch der Republikaner (LR), die Vorteile eines europäischen Vorgehens im Kampf gegen illegale Einwanderung und Missbrauch des Asylrechts zu beweisen. In den nächsten Monaten will der Franzose in der Nationalversammlung Gesetzesverschärfungen vorstellen. Das wurde bereits verschoben, eine europäische Erfolgsmeldung wäre für Darmanin daher wichtig. Nun wird in Paris aber befürchtet, dass Italien eine europäische Einigung verhindern könnte. Regierungschefin Meloni hat bislang wenig Interesse daran gezeigt, Migranten in Transitzentren einzusperren und ihre Rückführung zu organisieren. „Wenn man in Paris denkt, Italien sei das Flüchtlingslager Europas, dann irren sie sich gewaltig“, heißt es in einem Kommuniqué der Fraktion Identität und Demokratie im EU-Parlament, der auch das Rassemblement National angehört.

Frankreich hat Ende April 150 zusätzliche Polizisten an die französisch-italienische Grenze beordert, um illegale Migranten zurückweisen zu können. Darmanin sagte in seinem Gespräch, der Migrantenstrom insbesondere aus Tunesien sei stark angewachsen. Der RN-Vorsitzende Jordan Bardella kritisierte Darmanin: „Unter seiner Amtsführung bricht Frankreich alle Rekorde der Zuwanderung. Seine Bilanz disqualifiziert ihn, unsere italienischen Nachbarn zu belehren.“ Das Verhältnis zwischen Meloni und Le Pen ist dabei kompliziert. Die italienische Ministerpräsidentin hat Le Pen noch nicht mit einem Besuch gewürdigt. In den Reihen des RN wird offen kritisiert, dass Meloni auf die NATO setzt und transatlantisch ausgerichtet ist. Ihre Unterstützung für die Ukraine ist Le Pen suspekt. Engere Verbindungen gibt es mit der Partei Reconquete des Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour.

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