EU-Mitgliedstaaten sollen Ausweisungen anerkennen

Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten aufgerufen, enger bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber zusammenzuarbeiten und Angebote der Grenzschutzbehörde Frontex zu nutzen. Nur „sehr wenige“ Staaten würden bisher Rückkehrentscheidungen anderer Staaten anerkennen und so Verfahren abkürzen.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

„Unsere Empfehlung heute ist, dass sie anfangen sollten, diese Möglichkeit zu nutzen“, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson am Dienstag bei der Vorstellung operativer Vorschläge zur Rückkehr von Migranten und zur Verbesserung der Grenzsicherung. Heute könnten sich irreguläre Migranten ihrer Ausweisung dadurch entziehen, dass sie in einem anderen EU-Staat ein neues Asylverfahren begönnen. „Das ist natürlich ein echter Missbrauch des Systems“, sagte sie. Er trägt zur sogenannten Sekundärmigration bei, die dazu führt, dass Staaten im Inneren der Union weit mehr Asylverfahren verzeichnen als solche an der Außengrenze.

Die Kommission reagiert mit ihren Vorschlägen auf die Debatte zu Migration beim Europäischen Rat Anfang Februar. Die Staats- und Regierungschefs waren sich darin einig, dass sie die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber beschleunigen wollen. Im Jahr 2021 wurden nur 21 Prozent von 340.000 Rückehrentscheidungen in der EU auch vollzogen. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Johansson erinnerte daran, dass nur in 16 Prozent der Fälle überhaupt ein Antrag auf Rückübernahme beim Herkunftsland gestellt worden sei. Die Diskrepanz zu den 21 Prozent ergibt sich daraus, dass Migranten freiwillig in ihre Heimat zurückgingen, bevor ein solches Verfahren gestartet wurde, oftmals befördert durch finanzielle Anreize.

Ein „einheitliches Ökosystem“

Neuerdings ist es einfacher, gegen mehrfache Asylanträge vorzugehen. Im überarbeiteten Schengener Informationssystem taucht eine Warnmeldung auf, wenn eine Person, die schon in einem Land ausreisepflichtig ist, versucht, in ein anderes Land einzureisen. Dieses System, das vor einer Woche freigeschaltet wurde, kommt an der Außengrenze und bei Personenkontrollen zum Einsatz.

Die Kommissarin drang darauf, dass die Mitgliedstaaten stärker die EU-Grenzschutzbehörde Frontex für Rückführungsflüge nutzen. Im vergangenen Jahr machten nur fünf von ihnen davon nennenswerten Gebrauch, als positives Beispiel nannte Johansson Zypern. Für diesen Mittwoch ist ein Flug nach Bangladesch mit 68 Personen aus neun Ländern geplant. Johansson hatte dort im vorigen Herbst eine Übereinkunft zur besseren Zusammenarbeit erzielt.

Die Vorschläge der Kommission zum besseren Grenzmanagement beziehen sich auf den geltenden Rechtsrahmen. Es gehe darum, in den nächsten fünf Jahren ein „einheitliches Ökosystem“ und eine „gemeinsame Kultur“ zu schaffen, sagte der für das Thema verantwortliche Vizepräsident Margaritis Schinas. Zu den fünfzehn Maßnahmen gehört eine bessere Überwachung der Außengrenzen mit Drohnen und Kameras. Außerdem sollen neue Schleuserrouten und Migrationsströme früher erkannt werden. Die Mitgliedstaaten sollen dafür schneller und umfassender Daten weitergeben.

Die Kommission besteht darauf, dass der wirksame Grenzschutz nicht zu Lasten von Grundrechten gehen darf, gesteht zugleich aber Defizite ein – jedenfalls indirekt. Frontex und die Mitgliedstaaten sollten eine Kultur schaffen, „die auf der Achtung europäischen und internationalen Rechts beruht, insbesondere des Prinzips der Nicht-Zurückweisung“, heißt es in ihrer Mitteilung. Frontex bekommt sechs Monate Zeit zur Umsetzung, für die Mitgliedstaaten sind es zwölf. Im Jahr 2027 will die Kommission die Umsetzung überprüfen.

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