Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate ist es zwischen unterschiedlichen eritreischen Gruppen in Deutschland zu gewaltsamen Auseinandersetzungen untereinander und mit der Polizei gekommen. Anfang Juli war das im hessischen Gießen der Fall, an diesem Samstag nun in Stuttgart.
Seit dem späten Nachmittag hat die Polizei die größtenteils jungen Männer, viele von ihnen anerkannte Asylbewerber, mit stark bewaffneten Einheiten umzingelt. Die etwa 200 Männer werden jetzt einzeln, bewacht von zwei Beamten, zur Identitätsfeststellung zu den Polizei-Transportern gebracht. Der Tatvorwurf lautet: schwerer Landfriedensbruch.
Bis spät in die Nacht hinein stehen und sitzen noch junge Männer an der Straßenecke Römerkastell/Hallschlag. Sie fordern in Sprechchören auf Tigrinisch Freiheit für ihr Land und für sich. Immer mal wieder beginnen sie zu tanzen und schwenken die alte, blaue Nationalflagge mit grünem Olivenzweig und Olivenkranz der autonomen Provinz Eritrea, als sich das Land in einer Föderation mit Äthiopien befand. Immer wieder singen sie.
Spontan mit Stöcken und Eisenstangen bewaffnet
Wie stellt sich der Ablauf der schweren, krawallartigen Auseinandersetzungen vorerst dar? „In einem der Räume des Römerkastelles gab es eine so genannte Info-Veranstaltung eines Verbandes eritreischer Vereine, also einer regierungsnahen Organisation. Gegen 14 Uhr sammelten sich dann zwischen 100 und 150 Personen, deren Ziel es war, die Veranstaltung zu stören“, sagt der Sprecher des Stuttgarter Polizeipräsidiums. Die Polizei habe die Veranstaltung beobachtet und gegen Mittag festgestellt, dass sich vom Bahnhof Cannstatt und vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus immer mehr Personen aus Eritrea in Richtung Römerkastell bewegt hätten. Das ehemalige Kastell war bis 1990 eine amerikanische Kaserne und ist heute ein großes Veranstaltungszentrum im nördlichen Stuttgarter Stadtteil Hallschlag.
„Gegen 14 Uhr ist die Situation dann eskaliert, es kam zu Angriffen auf die Versammlungsteilnehmer und auf die Polizisten“, sagt der Sprecher. Die Eritreer, die sich der Opposition zurechnen, hätten sich spontan mit Latten, Eisenstangen sowie Stöcken bewaffnet, es seien dann auch Steine und Flaschen geflogen. Einige Eritreer sollen auch mit Sitzmöbeln eines Restaurants geworfen haben. Mit einer derartigen Eskalation der Gewalt hatten weder Polizei noch Stadtverwaltung gerechnet.
26 verletzte Polizisten
Der Platz im Innenhof des Kastells, in der Nähe einer Eisdiele, wurde verwüstet, Absperrgitter wurden eingerissen. 26 Polizisten und Polizistinnen wurden verletzt, zwei erlitten schwere Prellungen und Schürfwunden und sind dienstunfähig. Sechs Polizisten müssen im Krankenhaus beteiligt werden. Auch vier Teilnehmer der pro-erietreischen Veranstaltung sowie zwei „Oppositionelle“ erlitten Verletzungen.
Die Stuttgarter Polizei verschaffte sich mit einem Hubschrauber einen Überblick über das weiträumige Gelände und brachte mehrere hundert Polizisten, ein Drohnen-Beobachtungsteam und eine Reiterstaffel zum Einsatzort. „Es gab im gesamten Bereich Scharmützel; es ist uns dann gelungen, alle Kleingruppen aufzulösen und etwa 200 junge Männer zu umschließen“, so der Sprecher. Die Lage habe sich erst beruhigt, als die Veranstaltung des mutmaßlich regimetreuen Vereins beendet war und die Polizei die Teilnehmer aus der Halle eskortierte.
Dann habe die Polizei mit den Identitätsfeststellungen bei den Randalierern begonnen, es wurden Platzverweise und Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Carsten Höfler, der stellvertretende Stuttgarter Polizeipräsident, sagt: „Wir waren der Prellbock für einen eritreischen Konflikt, der auf Stuttgarter Straßen mit massiver Gewalt ausgetragen wurde.“ Weder das Ausmaß noch die Intensität der gewaltsamen Auseinandersetzungen hätten sich zuvor abgezeichnet; die Auseinandersetzungen eritreischer Gruppierungen in Gießen Anfang Juli sind nach Auffassung der Stuttgarter heftiger gewesen.