Birgit Schuster ist perfekt vorbereitet. Sie hat mehrere Kopien ihres Lebenslaufs sowie Referenzen in einer Mappe und streift am ersten Tag nach den Weihnachtsfeiertagen durch die Bautzner Bahnhofshalle, in der sich an diesem Tag knapp 60 Firmen aus der Oberlausitz präsentieren. Zwei gute Gespräche habe sie schon gehabt, sagt die aus Bautzen stammende Frau, die Mitte der Neunzigerjahre im Alter von 16 Jahren nach München zog. „Ich bin damals weg, weil es hier keine Ausbildung gab“, erzählt sie. Zwei Dutzend Bewerbungen habe sie geschrieben, nur einmal habe sie überhaupt eine Antwort erhalten. In München dagegen konnte sie sofort Einzelhandelskauffrau lernen. Sie hat bei Feinkostherstellern gearbeitet, Finanzen, Controlling und den Einkauf betreut und ist auch mit ihrem jetzigen Job in einem großen Familienunternehmen sehr zufrieden.
Stefan Locke
Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.
Dennoch plant sie einen Neuanfang in der alten Heimat – weil sie ihren aktuellen Job noch nicht gekündigt hat, will sie ihren richtigen Namen nicht nennen. „Wenn, dann jetzt“, sagt sie. Sie sei Mitte 40 und ihre Eltern, die in der Oberlausitz lebten, würden auch nicht jünger. „Die Entscheidung steht definitiv fest.“ Da sei sie sich mit ihrem Mann einig. Sie haben sich einst in München kennengelernt, er stammt aus Meißen. „Er hat die gleiche Geschichte wie ich.“ So etwas verbinde, wie sie überhaupt auch im Westen privat meist mit abgewanderten Ostdeutschen zu tun hätten.
Will zurückkehren: Heiko Winkler arbeitet als Elektriker in der Schweiz. Noch lebt er in Südwestdeutschland.
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Bild: Robert Gommlich
Sie haben ein Kind und während Corona zwangsläufig viel Zeit daheim verbracht. Damals sei ihr beider Entschluss gereift zurückzugehen. „Wir haben immer die Heimat vermisst, na klar“, sagt sie. „Wenn ich hierherkomme, fühle ich mich zu Hause.“ Jetzt fehlt ihr nur noch ein passender Job. Deshalb ist sie heute hier. Ihre Eltern hatten in der Zeitung von der Rückkehrermesse gelesen und sie darauf aufmerksam gemacht. Und das Jobangebot ist inzwischen durchaus üppig.
Etwa bei Lakowa, einem Familienunternehmen in vierter Generation, das unter anderem komplexe Kunststoffbauteile für die Innenverkleidung von Spezialfahrzeugen wie Rettungswagen herstellt. „Wir suchen händeringend Unterstützung“, sagt Personal-Mitarbeiterin Bianca Jannasch. 230 Menschen arbeiten zurzeit im Unternehmen, sechs offene Stellen hat sie zu vergeben, von der Fertigung bis zum kaufmännischen Bereich, und auch Lehrstellen sind noch frei. „Wir haben ein gutes Auftragsvolumen, wir wachsen, aber wir brauchen Leute.“ Die Messe nach Weihnachten, die erstmals seit drei Jahren wieder live statt online stattfindet, sei ein guter Treffpunkt. Es hat sich herumgesprochen, dass man hier gut Kontakte knüpfen kann.
Einst lag die Arbeitslosenquote bei 25 Prozent
Bereits mit Öffnung der Türen um zehn Uhr sind die meisten Stände dicht umlagert. An großen Stellwänden haben weitere Unternehmen freie Arbeitsplätze mit Kontaktdaten zum Abreißen angepinnt: Rot für Industriejobs, Grün für Dienstleistungen, Blau für Handwerksberufe – insgesamt mehr als 250 freie Stellen. Die Anbieter hoffen, hier auf Leute zu treffen, die über Weihnachten ihre Familien und ihre alte Heimat besuchen.