Die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl plädiert für schnellere Beschaffungswege, um Waffen und Ausrüstung für die Bundeswehr zu besorgen; außerdem solle ein regelmäßiger Bericht darüber erstellt werden, wie viel Geld aus dem 100 Milliarden Euro umfassenden Sonderprogramm für die Bundeswehr wie zügig für welche Beschaffungen ausgegeben wurde. Högl nähert sich damit Forderungen der CDU/CSU-Opposition im Bundestag an, die im Frühjahr solche Berichtspflichten gleichfalls verlangt hatte.
Die Wehrbeauftragte, die früher für die SPD dem Bundestag als Parlamentarierin angehörte, sagte der Deutschen Presse-Agentur, um die erstrebte vollständige Ausstattung der Streitkräfte rascher zu erreichen, solle wenigstens vorübergehend auf das bestehende komplizierte Regelwerk bei Rüstungsbeschaffungen verzichtet werden. Högl verlangte, „die 100 Milliarden Euro dürfen nicht in den vorhandenen Strukturen und Verfahren vergeben werden; dann kommen wir nicht vorwärts“.
Klingbeil: 100-Milliarden-Programm rasch nutzen
Die gegenwärtige Lage, der Krieg in der Ukraine, machten eine Anpassung der Regeln nötig: „Ohne ein gesondertes Regelwerk für diese Situation werden wir die 100 Milliarden Euro nicht so zügig und konzentriert ausgeben können, wie das notwendig ist“, sagte sie.
Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne, dritter von links; SPD) und SPD-Chef Lars Klingbeil (vorne, erster von links) sitzen am 17. Oktober 2022 in Ostenholz kurz vor Beginn einer Ausbildungs- und Lehrübung des Heeres auf einer Tribüne.
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Bild: dpa
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil plädierte unterdessen dafür, Politik und Rüstungsindustrie sollten einen „nationalen Pakt für Sicherheit“ schließen, um die Bundeswehr rasch besser mit Gerät auszustatten und weitere Waffen in die Ukraine liefern zu können. Klingbeil stimmte in der niedersächsischen „Böhme-Zeitung“ den Forderungen Högls zu: Wichtig sei, dass das 100-Milliarden-Programm rasch genutzt werde, „nicht auf den üblichen bürokratischen Wegen, sondern in einer Rekordgeschwindigkeit“.
Die Wehrbeauftragte meldete auch Zweifel an, ob das vom Verteidigungsministerium ausgegebene Ziel erreicht werden könne, die Personalstärke der Bundeswehr bis zum Jahr 2031 auf 203.000 Soldaten zu heben. Högl sagte, das sei „sehr sportlich und wird ein ganz schöner Kraftakt“. Gegenwärtig zählt die Bundeswehr 182.000 Soldaten. Viele Dienstposten seien jedoch nicht besetzt, an vielen Stellen sei nicht die richtige Person zur richtigen Zeit auf dem richtigen Posten.
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Högl verlangte auch, die Werbung für die Bundeswehr müsse verändert werden, Broschüren, Plakate und Filme müssten ein „realistisches Bild“ von der Truppe zeigen. In den vergangenen Jahren sei teilweise ein Alltag geschildert worden, in dem Waffen nicht vorgekommen seien. Högl sagte, „was ich kritisiere, ist, dass in den vergangenen Jahren häufig so getan wurde, als sei Soldatin und Soldat ein ganz normaler Job“. Das sei es aber nicht.
Hohe Abbrecherquote
Nicht Plakate und Videos, sondern die aktiven Soldatinnen und Soldaten seien die besten Werbeträger für die Bundeswehr. Es helfe nichts, die Armee als attraktiv darzustellen, wenn die Bewerber, die dann zur Truppe kämen, an Ort und Stelle ganz anderes erlebten.
Rund 18 Prozent der eingestellten Bewerber brächen ihr Arbeitsverhältnis während einer sechsmonatigen Probezeit wieder ab. Dies sei eine sehr hohe Quote, die durch eine realistischere Beschreibung des Berufsalltages bei der Bundeswehr gesenkt werden könne, sagte die Wehrbeauftragte.
Sie gab an, zur Ehrlichkeit gehöre seit dem russischen Überfall auf die Ukraine auch, dass es als Soldat darum gehe, „gegen einen Gegner im Gefecht zu bestehen“. Im Zweifel stünden die Soldaten und Soldatinnen mit ihrem Leben für ihren Auftrag ein. „Da darf man nicht drum herumreden und das darf auch nicht wegdiskutiert werden“, sagte sie. Der Dienst im Militär sei eben kein Arbeitsplatz in einer Kfz-Werkstatt oder in einer Verwaltungsbehörde.