Anschlag in Hamburg: Polizeipräsident sieht keine Verfehlungen

Eindeutiger kann ein Lob für die eigenen Leute kaum ausfallen. Es habe nach der Tat vom Donnerstagabend, bei der ein Mann in einer Kirche der Zeugen Jehovas sieben Menschen erschoss und neun verletzte, „enorme Anerkennung“ dafür gegeben, was Hamburg bei der Bewältigung der Einsatzlage geleistet habe, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag. Die Polizeikräfte seien „schnell und mutig“ gewesen. Sie seien innerhalb von fünf Minuten am Tatort und innerhalb von sieben Minuten im Gebäude gewesen, zum Teil ohne Schutzkleidung. Und auch was die Waffenbehörde angehe, gebe es keinen Grund daran zu zweifeln, dass diese „sorgfältig und gut“ gearbeitet habe.

Julian Staib

Politischer Korrespondent für Norddeutschland und Skandinavien mit Sitz in Hamburg.

Die Waffenbehörde hatte dem Sportschützen Philipp F. im Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte ausgestellt. Er kaufte sich kurz danach legal die spätere Tatwaffe. Rund einen Monat später ging bei der Behörde ein anonymes Schreiben ein. Darin wurde sie aufgefordert zu überprüfen, ob seine Waffe ordnungsgemäß gelagert und er in der geistigen Verfassung zum Führen einer Waffe sei.

Gewarnt wurde, F. sei wohl psychisch erkrankt, wolle aber nicht zum Arzt gehen. Auch hege er Hass auf religiöse Gruppen, insbesondere die Zeugen Jehovas. Wie Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Dienstag ausführte, hieß es in dem Schreiben auch, F. habe seine „Wahnvorstellungen“ in einem Buch festgehalten, welches er aktuell vermarkten wolle.

Das Buch über die „Wahrheit über Gott, Jesus und Satan“ war am 20. Dezember im Selbstverlag bei einem großen Onlinehändler erschienen. Darin heißt es Berichten zufolge unter anderem, dass Massenmord im Auftrag Gottes legitim, die Verfolgung der Juden ein himmlischer Akt und Adolf Hitler ein Werkzeug Christi gewesen sei. Das Buch wäre eine Grundlage gewesen, um einen Prozess zum Entzug der Waffenrechtlichen Erlaubnis anzustoßen, sagte Meyer nun. Doch den Beamten lag es nicht vor. Und sie suchten auch nur kurz danach in Vorbereitung einer unangekündigten Überprüfung von F.

Google-Suche führte nicht zum späteren Täter

Laut Meyer gaben sie demnach seinen Namen und den Begriff „Buch“ bei Google ein. Ohne Ergebnis. Das hätten Fachleute unter Zuhilfenahme des damaligen Algorithmus nun bestätigt. Offen ist, warum die Beamten nicht über die persönliche Seite des späteren Attentäters oder über seine Seite auf einem Karriereportal auf das Buch aufmerksam wurden, dort hatte er dafür geworben. Meyer verteidigte die Mitarbeiter der Waffenbehörde, diese seien „keine OSINT-Rechercheure“. Das ist ein nachrichtendienstlicher Begriff und steht für Open Source Intelligence.

Ohne Kenntnis über Titel oder gar Inhalt des Buchs besuchten dann zwei Polizeivollzugsbeamte der Waffenbehörde F. und überprüften die Aufbewahrung seiner Waffe. Es fanden sich nur „wenige Magazine“, so Meyer. Alles sei bis auf eine Patrone, die auf dem Safe statt darin lag, „ordnungsgemäß“ gewesen. Es seien „keine Hinweise auf mögliche psychologische Auffälligkeiten“ festgestellt worden. Nach dem Buch sei nicht gefragt worden.

Der Hinweisgeber hatte um eine Routinekontrolle gebeten, um F. „nicht misstrauisch“ werden zu lassen, so Meyer. Für weitere Maßnahmen habe „kein Raum“ bestanden. Hierfür hätte es „Tatsachen“ bedurft anstatt nur des „Indizes“ eines anonymen Briefes. Die Waffenbehörde habe „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ gehandelt, ihr sei „kein Vorwurf“ zu machen.

Innensenator Grote sagte dazu, eine Waffenbehörde sei keine Ermittlungsbehörde. Die Beamten hätten „ordentlich“ gearbeitet, seien nicht in Mitverantwortung zu nehmen. Es sei unsicher, ob andere Waffenbehörden überhaupt derlei Recherchen durchgeführt hätten. Der beste Zeitpunkt, um sich ein Bild von einer Person zu verschaffen, sei immer noch vor dem Ausstellen einer Waffenerlaubnis.

Grote verwies dabei auf die von der Bundesregierung geplante Novelle des Waffenrechts. Entscheidend sei die Verpflichtung zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses für jeden Antragsteller, so Grote. Notwendig sei es zudem zu überprüfen, ob nicht eine Obergrenze für die Beschaffung von Munition eingeführt werden müsse. Wie nun bekannt wurde, fanden die Ermittler beim Attentäter am Körper und in dessen Wohnung insgesamt 60 Magazine, die er wohl überwiegend über das Internet bestellt hatte. Bisher sieht das Waffenrecht keinerlei Einschränkungen für den Kauf von Munition vor.

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