Studie stellt Melatonin infrage
Häufig verabreichtes Medikament könnte das Herz schädigen
Aktualisiert am 12.11.2025 – 14:52 UhrLesedauer: 3 Min.
Melatonin gilt als harmloses Mittel gegen Schlafstörungen. Doch eine Studie zeigt: Wer es langfristig nimmt, riskiert möglicherweise ernsthafte Gesundheitsprobleme.
Viele Menschen mit Schlafproblemen greifen zu Melatonin. Der körpereigene Stoff wird als natürliche Einschlafhilfe beworben – rezeptfrei, „sanft“ und ohne nennenswerte Nebenwirkungen. Doch jetzt warnen Forscher aus den USA: Wer Melatonin länger als ein Jahr regelmäßig einnimmt, hat möglicherweise ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Herzschwäche und sogar eine höhere Sterblichkeit.
Darauf weist eine neue Studie hin, die im Rahmen der diesjährigen Fachtagung der American Heart Association (AHA) vorgestellt wurde. Die Forscher untersuchten Gesundheitsdaten von über 130.000 Erwachsenen mit chronischer Schlaflosigkeit. Rund die Hälfte von ihnen hatte mindestens ein Jahr lang Melatonin eingenommen, die andere Hälfte nicht.
Das Ergebnis der Analyse ist alarmierend: Menschen, die langfristig Melatonin nutzten, erkrankten fast doppelt so häufig neu an einer Herzinsuffizienz wie jene, die kein Melatonin einnahmen (4,6 Prozent vs. 2,7 Prozent). Auch Krankenhausaufenthalte wegen Herzschwäche waren deutlich häufiger, das Risiko war bei den Melatonin-Nutzern mehr als dreimal so hoch (19,0 Prozent vs. 6,6 Prozent). Und: Sie starben häufiger; die Sterberate lag bei 7,8 Prozent im Vergleich zu 4,3 Prozent in der Kontrollgruppe.
Die Studienautoren warnten daher, dass Melatonin nicht so harmlos sei, wie viele glauben. Zwar kann die Untersuchung keine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung nachweisen, der Zusammenhang zwischen langfristiger Einnahme und negativen Folgen für das Herz sei jedoch auffällig und bedenklich.
„Melatonin wird oft als sichere, natürliche Einschlafhilfe angesehen. Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass es damit möglicherweise nicht so einfach ist“, sagte Studienleiter Ekenedilichukwu Nnadi vom Suny Downstate Medical Center in New York.
Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse des Gehirns produziert wird. Es regelt den Tag-Nacht-Rhythmus und wird im Dunkeln ausgeschüttet. In vielen Ländern, etwa den USA, ist Melatonin frei verkäuflich; auch in hohen Dosierungen. In Deutschland ist es nur in niedriger Dosis rezeptfrei erhältlich, höher dosierte Präparate unterliegen der Verschreibungspflicht.
In der Untersuchung wurden jedoch nur Menschen berücksichtigt, deren Melatonin-Einnahme in den elektronischen Gesundheitsakten vermerkt war. Das heißt: Personen, die in den USA rezeptfreies Melatonin selbst gekauft hatten, flossen in die Studie nicht als „Melatonin-Nutzer“ ein, obwohl sie es möglicherweise regelmäßig einnahmen. Dies könnte sogar zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Risiken beitragen.
„Es überrascht mich, dass Ärztinnen und Ärzte Melatonin zur Behandlung von Schlaflosigkeit über einen solch langen Zeitraum verschreiben, denn dafür ist es in den USA gar nicht zugelassen“, sagte Marie-Pierre St-Onge, Schlafexpertin an der Columbia University in New York, die nicht an der Studie beteiligt war.
