Liam Gallagher und John Squire sind in unterschiedlichen Bands zu britischen Musik-Ikonen geworden. In Berlin haben sie am Donnerstagabend ihr erstes gemeinsames Album vorgestellt. Überraschen kann das Duo nicht, überzeugen aber dennoch.

„Yes, Berlin“, ruft Liam Gallagher zur Begrüßung ins Mikrofon. Und man merkt vom ersten Augenblick an: Da hat einer richtig Lust auf diesen Auftritt in der Columbiahalle. Neben ihm steht John Squire, der in den nächsten exakt 60 Minuten keinen Ton sagen wird, das aber auch nicht muss.

Denn Squire lässt lieber sein lässig-virtuoses Gitarrenspiel für sich sprechen. Wie gleich im ersten Lied an diesem Abend. In „Just Another Rainbow“ liefert Squire den bisweilen herrlich verzerrten Sound zu Gallaghers sattem Gesang.

Es heißt, Liam Gallagher (Jahrgang 1972 und aus Manchester) habe John Squire (Jahrgang 1962 und aus Manchester) Ende der Achtzigerjahre in der gemeinsamen Heimatstadt mit dessen Band Stone Roses auf der Bühne stehen sehen. Daraufhin soll er beschlossen haben, Rockstar zu werden. Was ihm dann ja auch eindrucksvoll gelang – bis es 2009 zum großen Knall bei seiner da schon nicht mehr ganz so großen Band Oasis kam.

Die Stone Roses waren da schon längst Geschichte. Umso verwunderlicher ist es, dass das Duo nicht schon früher mal gemeinsam ins Studio gegangen ist.

Liam Gallagher und John Squire kennen sich aus alten Britpop-Tagen

Da stehen sie nun also am Donnerstagabend auf der Bühne der Columbiahalle: Zwei Männer, die den Sound einer ganzen Generation geprägt haben. Hier der laute Schaut-mich-an-Frontmann Liam Gallagher, der sich auch während Gitarrensoli immer noch mit Wonne breitbeinig an den Bühnenrand stellt und sich vom Publikum abfeiern lässt. Da der stille Anti-Star John Squire, verträumt die Saiten seines Instruments beackernd. Beide hatten eben schon immer ihre Rollen inne. Und die legen sie auch an diesem Abend nicht ab. Vielmehr spielen sie ihre Rollen perfekt.

Und vielleicht ist das der Grund, warum sich in der Columbiahalle zu keinem Zeitpunkt das Gefühl einstellen will, dass hier eine echte Einheit auf der Bühne steht. Es gibt null Interaktion von Liam Gallagher und John Squire. Beide machen ihr Ding – so sehr, dass man fast schon Sorge haben muss, dass das nächste Lied prophetischen Charakter hat.

Pop-Romanze: Squire hat Gallagher zehn Songs auf den Leib geschrieben

Denn auf den Opener folgt „One day at a time“. „A little romance, the clouds sail by. You’ll regret some decisions ‚til the day you die“, singt Gallagher darin. Für die musikalische Romanze mit Squire gilt das aber trotz allem nicht.

Das Duo liefert das, was man von ihm erwartet: Eine solide Mischung aus stampfendem Rock und bluesigen Gitarrensounds verpackt in Lieder, die ins Ohr gehen. Die zehn Titel des Albums, dem Vernehmen nach allesamt aus der Feder von Squire, sorgen in der ausverkauften Halle für ein wohliges Wir-Gefühl unter den größtenteils mit ihren Idolen etwas in die Jahre gekommenen Zuschauern.

Die Musik zelebriert das Alte im Neuen. Und das Neue im Alten. Keines der Stücke ist langweilig. Und doch ist allen in der Columbiahalle klar, dass sich Gallagher und Squire in diesem Leben musikalisch nicht mehr neu erfinden werden. Vielmehr hat Squire den Sound der Stone Roses und von Oasis in eine andere Form gegossen und so etwas geschaffen, das einen Abend lang kurzweilige Unterhaltung bietet. Etwas anderes erwartet in der Columbiahalle auch niemand. „The public gets what the public wants“, sang schon einst Paul Weller, noch so eine britische Musik-Institution.

Wie das mit der Unterhaltung am besten geht, demonstriert das Manchester-Duo gegen Ende des Konzerts in „Raise Your Hands“, dem mitreißendsten Stück des Abends. In diesem Lied geht es darum, dass im Leben manchmal nichts so läuft, wie man es sich vorstellt. Die vermeintliche Lösung für sämtliche Probleme knurrt Liam sodann gleich hinterher: „Raise your hands, I can see you. We’re alive“.

Genau darum geht es beim Auftritt von Liam Gallagher und John Squire: Wir sehen Euch, und Ihr seht uns. Wir sind zwar alle nicht mehr die Jüngsten, und deshalb wollen wir uns auch nicht mehr ändern. Aber lasst uns zusammen das Leben genießen. Rock ’n‘ Roll kann so einfach sein.

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