Der Patient im Krankenbett stöhnt. „Können Sie mich hören?“, fragt die Ärztin. Der Patient stöhnt noch einmal, scheint nicht antworten zu können. „Der Blutdruck fällt“, ruft ein Arzt und schaut auf den Monitor. Die Atemfrequenz steigt auf mehr als 22 Atemzüge pro Minute. Der Monitor piept laut und schnell. „Was ist denn mit meinem Opa los?“, fragt ein Mann panisch. Im Raum wird es hektisch. Eine Ärztin ruft: „Wir brauchen Noradrenalin, um den Blutdruck zu erhöhen.“ Der Kollege springt zu einem roten Notfallrucksack und reißt ihn auf. Eine Spritze mit einem Milligramm Noradrenalin wird aufgezogen und dem Patienten injiziert.
„War das gerade unverdünnt?“, fragt der Mann, der eben noch um seinen Großvater gebangt hat. Die beiden Ärztinnen und der Arzt schauen ihn verunsichert an und nicken. Der Mann tippt etwas in ein Tablet, die Geräte im Raum beginnen energisch und immer schneller zu piepsen. Eine so hohe Dosis ist lebensgefährlich, vor allem für ältere Menschen. „Ich setze jetzt hier einen Stopp“, sagt der Mann mit dem Tablet, Leopold zu Bentheim. Die Geräte hören auf zu piepen, der Patient stöhnt nicht mehr und blickt auf.
Praktische Erfahrung enorm wichtig
In Wirklichkeit ist der Mann im Bett nicht an einer Sepsis erkrankt, sondern ein Schauspieler. Und Bentheim ist kein besorgter Enkel, sondern Dozent in einer Notfallsimulation, der mit seinem Tablet die Vitalwerte auf dem Patientenmonitor steuert. Die Ärzte wiederum sind geflüchtete Medizinstudenten aus der Ukraine, die in einer zweiwöchigen Summer School am Uniklinikum Frankfurt zu Gast sind. Aus ganz Deutschland hatten sich ukrainische Studierende beworben, Platz gab es am Ende nur für 14.
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Miriam Rüsseler, Studiendekanin der Klinik im Fachbereich Medizin, weiß, dass geflüchtete Medizinstudenten aus der Ukraine nur online an den Kursen ihrer Heimatunis teilnehmen können. Praktische Erfahrung sei aber enorm wichtig. Da Flüchtlinge in Deutschland nicht ohne Weiteres in die begehrten Medizinstudiengänge aufgenommen werden können, hat die Professorin die Summer School in Frankfurt initiiert. In der Notfallsimulation sollen die Studenten die Theorie in die Praxis umsetzen, lernen, mit Stress umzugehen und im Team zu arbeiten. Die Gesamtkosten belaufen sich auf gut 18.000 Euro. Die Studierenden zahlen nichts, Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten werden gestellt.
Die Gruppe aus der Sepsis-Simulation ist unzufrieden. „Die Armen müssen mit der deutschen Sprache zurechtkommen und werden dann in einen Krankheitsfall geworfen, den sie noch nicht gelernt haben“, sagt Bentheim. „Wir sind nervös geworden“, gibt Elina Chunikhovska in gebrochenem Deutsch zu. Aber: „Es ist gut, endlich etwas Praktisches zu lernen.“
Valentyn Belanov kommt gerade mit zwei anderen von einem Herzinfarkt-Szenario. „Ich war etwas aufgeregt, weil es das erste Mal war“, sagt er. Seine Gruppe hat fast alles richtig gemacht, nur die Handschuhe haben die Studenten zu spät angezogen. Trotzdem ist er etwas unzufrieden, er müsse weiter üben, findet er. „Wir denken darüber nach, das auf lange Sicht zu wiederholen“, sagt Rüsseler. Am besten dann auf Ukrainisch und Englisch.