Tulsa zahlt 10.000 Dollar Begrüßungsgeld

Cynthia Rollins hat gern in San Francisco gelebt. Aber 2019 fing sie an, über einen Tapetenwechsel nachzudenken. Sie konnte sich vieles vorstellen, vielleicht sogar einen Umzug nach Bali. Dann stieß sie im Internet auf einen Artikel über eine Stadt, auf die sie nie gekommen wäre, die aber ein verlockendes Angebot machte. Tulsa, eine der größten Städte im ländlichen US-Bundesstaat Oklahoma, die aber für amerikanische Verhältnisse noch immer recht klein ist, hatte seit kurzem ein ungewöhnliches Wirtschaftsförderungsprogramm, mit dem sie neue Einwohner gewinnen wollte. Wer hierher zieht, dem wurde eine Belohnung von 10.000 Dollar versprochen.

Rollins ging nach einigem Überlegen darauf ein und machte Tulsa, eine Stadt mit etwas mehr als 400.000 Einwohnern, zu ihrer neuen Heimat. Sie und viele andere Zugereiste aus den vergangenen Jahren sind auf der South by Southwest in Oklahomas Nachbarstaat Texas. Die Organisatoren des Umzugsprogramms haben dafür eigens die Kneipe Augustine in ein „Tulsa House“ umfunktioniert.

Die Initiative der Stadt in Oklahoma heißt „Tulsa Remote“ und richtet sich an ein ganz bestimmtes Publikum: Menschen, die für Unternehmen außerhalb des Bundesstaates arbeiten, dies aber von überall aus tun und somit auch überall hin ziehen können. Es ist eine Aktion, die gut in eine von der Pandemie veränderte Arbeitswelt passt, die aber schon 2018 gestartet wurde, also bevor sich das Coronavirus verbreitete.

Justin Harlan, der Chef der Organisation, sagte in Austin, es sei das erste Programm seiner Art in den USA. Es gibt mittlerweile einige Nachahmer in anderen Regionen, der Bundesstaat West Virginia zum Beispiel verspricht Neuankömmlingen 12.000 Dollar. Harlan zufolge hat Tulsa aber die bislang größte Umzugswelle mobilisiert. Bislang seien rund 2300 neue Bewohner im Rahmen der Initiative in die Stadt gezogen, bis Ende des Jahres sollen es 3000 sein.

Mitfinanziert von Ölmagnaten

Hinter „Tulsa Remote“ steckt der Gedanke, die Wirtschaft der Stadt auf eine breitere Basis stellen zu wollen, sagt Daryl Misrac, die ebenfalls für die Gruppe arbeitet und selbst vor wenigen Jahren von Los Angeles nach Oklahoma gezogen ist. Tulsa war traditionell vor allem von der Öl- und Erdgasindustrie geprägt und ist zeitweise „Ölhauptstadt der Welt“ genannt worden. Das „Tulsa Remote“-Programm wird auch von Ölreichtum finanziert, das Begrüßungsgeld für die neuen Einwohner kommt von der Familienstiftung des Ölmagnaten George Kaiser. Die Aktion soll nun zum Beispiel mehr Mitarbeiter der Technologiebranche in der Stadt bringen, sagt Misrac.

Um in das Programm aufgenommen zu werden und in den Genuss der 10.000 Dollar zu kommen, müssen einige Bedingungen erfüllt werden. Die Kandidaten müssen Vollzeitstellen bei ihren Arbeitgebern haben oder selbständig sein, und sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Es werden nur Menschen mit Berufen ausgewählt, die nicht an bestimmte physische Arbeitsplätze gebunden sind, also im Wesentlichen Bürojobs. Ausdrücklich heißt es in den Bedingungen, dass zum Beispiel Uber-Fahrer nicht infrage kommen. Ausländer können sich bewerben, wenn sie eine Arbeitserlaubnis haben.

Auch wer all diese Kriterien erfüllt, wird nicht zwangläufig genommen. Kandidaten müssen einen Background-Check und eine Art Vorstellungsgespräch per Videokonferenz durchlaufen. Misrac sagt, im vergangenen Jahr hätte es insgesamt mehr als 20.000 Bewerber gegeben, also nur ein recht kleiner Teil werde letztlich ausgewählt. „Manche Leute haben gesagt, es sei leichter, in die Harvard-Universität zu kommen.“

Die Reize von Tulsa

Cynthia Rollins arbeitete für eine Softwarefirma, als sie sich bewarb, passte also bestens in das Wunschbild. Sie erzählt, sie sei erst skeptisch gewesen, als sie von dem Angebot gehört habe. „Wer will schon nach Tulsa ziehen?“, habe sie sich gedacht. Bei ihrem Vorstellungsgespräch habe sie ihr Gegenüber gefragt: „Warum müssen Sie die Leute eigentlich bezahlen? Was läuft denn falsch in Tulsa?“ Als jemand aus dem liberalen San Francisco hatte sie auch die Sorge, Oklahoma könnte ihr zu konservativ sein.

Die Aussicht auf das Begrüßungsgeld und auf ein viel billigeres Leben half dann aber offenbar, sie zu überzeugen. Sie sagt, die 10.000 Dollar hätten das Risiko aus der Entscheidung genommen, denn das sei genug Geld fürs Umziehen gewesen und auch wieder fürs Wegziehen, falls es ihr nicht gefallen hätte. Und ihre Lebenshaltungskosten in Tulsa seien nun deutlich niedriger.

In San Francisco habe sie für eine Zweizimmerwohnung 2500 Dollar bezahlt, in Tulsa habe sie eine Dreizimmerwohnung für 1600 Dollar bekommen. Mittlerweile habe sie sogar ein Haus gekauft, und ihre monatliche Hypothekenzahlung sei niedriger als ihre vorherige Miete. Sie sagt, manchmal vermisse sie es, nahe am Meer zu sein und eine große Auswahl an frischen Lebensmitteln zu haben wie in San Francisco, aber sie bereue den Umzug nicht und wolle längerfristig in Tulsa bleiben.

Nach einer Studie des Thinktanks Economic Innovation Group sind Kalifornier wie Cynthia Rollins die größte Gruppe im „Tulsa Remote“-Programm. Aber auch aus New York und Umgebung kommen viele der neuen Einwohner. Wer ausgewählt wird, muss sich verpflichten, mindestens ein Jahr lang in Tulsa zu leben. Aber wie Misrac sagt, sind bislang 87 Prozent und damit die weitaus meisten über die vorgeschriebene Frist hinaus geblieben.

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