„Allein reisen ist Erstiwochen-Gefühl“
„Nach meinem Abitur im Jahr 2016 wollte ich unbedingt den John Muir Trail in Kalifornien wandern. Da ich niemanden hatte, der das mit mir machen wollte, bin ich allein für zehn Wochen in die USA geflogen. Ich war auf jeden Fall nervös. Kurz nach meiner Ankunft musste ich mir meine Genehmigung für den Trail abholen, und das schaffte ich tatsächlich nur ganz knapp, denn der Bus zu der Genehmigungsstelle in Lone Pine fuhr nur alle zwei Tage. Als ich die dann hatte, war alles gut. Ich wusste, jetzt geht es in die Berge.
Wenn ich Kommilitonen von meinen Wanderungen berichte, dann denken viele, dass ich allein durch die Wildnis laufe. Das habe ich auch manchmal gemacht, aber meistens habe ich Leute aus aller Welt getroffen. Auf Campingplätzen habe ich mich immer zu anderen ans Lagerfeuer gesetzt. Ich weiß nicht, ob ich das gemacht hätte, wenn ich Freunde dabeigehabt hätte. Ich denke, dass mir das auch den Start ins Studium einfacher gemacht hat, weil es mir nach meiner Reise leichter fiel, auf Fremde zuzugehen, und ich sozialer geworden bin. In den ersten Wochen lernt man an der Universität viele Leute kennen, danach haben die meisten ihre Freunde. Auf Reisen ist das anders. Alle sind in einer ähnlichen Situation und wollen einfach eine gute Zeit haben und neue Leute kennenlernen. Allein reisen ist Erstiwochen-Gefühl – nur ununterbrochen.
Hoch hinaus: Oscar Stübner ist für 10 Wochen in die USA geflogen.
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Bild: privat
Im Studium nahm ich mir deswegen immer wieder ein paar Wochen, um reisen und wandern zu gehen. Mal mit Freunden oder meinem Bruder, aber auch immer wieder allein – zum Beispiel in Spanien. Dort war ich in der Nebensaison, deswegen waren die Hostels recht leer. Normalerweise lernt man in Hostels sehr schnell andere Soloreisende kennen. Bei dieser Reise hat es fast eine Woche gedauert, bis ich einen Engländer traf, mit dem ich gemeinsam in die Stadt etwas trinken bin. Das war aber auch okay. Man lernt beim Alleinreisen auch, mit sich selbst zurechtzukommen.
Dieses Frühjahr bin ich vier Monate lang in den USA den Pacific Crest Trail von der mexikanischen Grenze bis fast zur kanadischen Grenze gewandert. Einmal traf ich dabei in drei Tagen nur zwei Personen. Meistens war ich aber mit Leuten unterwegs, und wenn man fast jeden Abend gemeinsam campt, dann schließt man recht schnell Freundschaften.
Ich mag es auch, per Anhalter zu reisen, weil ich dabei so viele verschiedene Menschen aus dem jeweiligen Land kennenlerne, mit denen ich manchmal noch gemeinsam esse oder in deren Garten ich campen durfte. Bislang habe ich dabei nur positive Erfahrungen gemacht. Generell gibt mir das Reisen Kraft, die Klausurenphasen durchzustehen, weil ich mich auf etwas freue. Und auch nach den Reisen, wenn die Erinnerungen noch frisch sind, bin ich einfach glücklicher und habe richtig Lust, wieder etwas zu lernen.“
Oscar Stübner, 25 Jahre, Master Maschinenbau in Aachen
„Allein hat man einfach mehr Freiheiten“
„Ich liebe es, allein zu reisen, weil ich dann einfach machen kann, worauf ich Bock habe. Ich war zum Beispiel schon mehrmals in Rom, aber als ich das erste Mal allein dort war, konnte ich endlich alle Plätze ablaufen, die ich gerne mag. An dem Tag bin ich fast 30 000 Schritte gegangen und war am Ende total kaputt, aber auch sehr glücklich.
Zu Fuß unterwegs: Annalena Laurich war schon mehr als einmal in Rom.
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Bild: privat
Während meines Erasmussemesters 2018 in Litauen machte ich einige Städtetrips im Baltikum. Unter meinen Freunden und Freundinnen gab es niemanden, der Lust hatte mitzukommen oder den ich mitnehmen wollte. Allein hat man einfach mehr Freiheiten, auch wenn es erst mal Überwindung kostet, sich zum Beispiel allein in ein Restaurant zu setzen. Beim ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass mich alle beobachten. Deshalb hatte ich mir sogar ein Buch mitgenommen, damit ich beschäftigt bin. Aber diese Unsicherheit muss man einfach ablegen, und dann lässt sich die Zeit allein auch richtig genießen. Das Einzige, was ich auf Soloreisen wirklich vermisse, ist mit Mitreisenden abends darüber reden zu können, was ich erlebt habe. Daher schreibe ich dann Tagebuch, um das Erlebte Revue passieren zu lassen.