Sollten Unis mit Rüstungskonzernen kooperieren?

Jan Wörner hat den Mann, der später sein Weltbild erschüttern sollte, vor knapp acht Jahren persönlich getroffen. „Er war sehr höflich, sprach gut Deutsch und hatte eiskalte Augen“: So erinnert sich der damalige Generaldirektor der europäischen Weltraumagentur ESA an Wladimir Putin. Nie hätte sich Wörner träumen lassen, dass in Deutschland noch einmal so intensiv über Panzer und Raketen diskutiert werde, wie er es als junger Mann in den Siebziger- und Achtzigerjahren erlebt hatte. Der russische Präsident hat ihn, wie viele andere, eines Schlechteren belehrt.

Wörner ist inzwischen Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), und seiner Meinung nach müssen auch Hochschulen die Lektion annehmen, die der Mann mit den kalten Augen Europa erteilt hat. Es sei an der Zeit, über den Sinn von Zivilklauseln nachzudenken, mit denen Unis ihr Wirken ausschließlich friedlichen Zwecken widmen. Der frühere Präsident der TU Darmstadt fordert nicht pauschal deren Abschaffung, wohl aber eine Überprüfung im Licht des russischen Angriffskriegs – vor allem dann, wenn die Klauseln „allzu kategorisch“ gefasst seien. Ein „friedlicher Zweck“ ist nach Wörners Überzeugung auch der Erhalt der Wehrhaftigkeit einer Nation; schließlich heiße es im Grundgesetz: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“

Jan Wörner


Jan Wörner
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Bild: SVEN SIMON

Für seine Wortmeldung hat Wörner einigen Widerspruch geerntet, wie er sagt: Manche hätten ihn als „Kriegstreiber“ beschimpft, anderen sei seine Kritik an den Zivilklauseln nicht weit genug gegangen. Bestärkt sieht sich der Acatech-Präsident hingegen durch ein Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation, die die Bundesregierung berät. Darin heißt es, die „in Deutschland bestehende strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung“ müsse „überwunden werden, um Synergien zu schaffen“. Alle mit Forschung und Innovation befassten Akteure sollten „ihre Selbstverpflichtungen und Regulierungen, die auf eine strikte Trennung zwischen militärischer und ziviler Forschung abstellen, einer Prüfung unterziehen“.

Drei hessische Unis haben Zivilklausel in Grundordnung

Ganz so friedensbewegt, wie man denken könnte, sind zumindest die hessischen Unis in dieser Hinsicht nicht – auch wenn es mancherorts, wie etwa an der Hochschule Darmstadt, noch immer studentische Initiativen gibt, die sich für solche Klauseln einsetzen. Von den staatlichen Hochschulen haben nur die Universitäten Darmstadt, Kassel und Frankfurt eine Zivilklausel in die Präambel ihrer Grundordnung eingefügt. Der Text der TU lautet:

„Forschung, Lehre und Studium an der Technischen Universität sind ausschließlich friedlichen Zielen verpflichtet und sollen zivile Zwecke erfüllen; die Forschung, insbesondere die Entwicklung und Optimierung technischer Systeme, sowie Studium und Lehre sind auf eine zivile Verwendung ausgerichtet.“

Die Uni Kassel hat hinter „Forschung“ noch das Wort „Entwicklung“ hinzugefügt, ansonsten ist die Selbstverpflichtung mit jener in Darmstadt identisch. Knapper formuliert die Uni Frankfurt:

„Lehre, Forschung und Studium an der Goethe-Universität dienen zivilen und friedlichen Zwecken.“

Ohne pazifistische Bekundung in ihrer Grundordnung kommt die angeblich besonders „linke“ Uni Marburg aus. In den „Grundsätzen und Verfahrensregeln für den verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken“ heißt es allerdings:

„Forscherinnen und Forscher müssen sicherstellen, dass ihre Forschung nicht unmittelbar der Vorbereitung oder Führung eines Krieges dient.“

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