Eine Frage an alle: Wie und in welchem Umfang sollte ChatGPT in der Schule verwendet werden – und wird es derzeit falsch eingesetzt?
Bob Blume: ChatGPT und digitale Medien sollte man in dem Maße in der Schule einsetzen – und zwar reflektiert –, in dem sie in der Gesellschaft eine Rolle spielen. Damit sie nicht außerhalb der Schule in einer Weise genutzt werden, die schädlich ist.
Gottfried Böhme: Ich weiß nicht, ob es die Aufgabe von Schule ist, alles, was technisch neu herauskommt, auf Teufel komm raus im Unterricht unterzubringen, auch wenn ich überzeugt bin, dass die beiden hier anwesenden unterrichtenden Kollegen gute Ideen haben, wie sie ChatGPT im Unterricht einsetzen. Die Aufgabe von Schule ist es ja, Schüler dazu zu bringen, mit den Problemen, die sie später im Leben haben werden und die unserer Welt auf den Nägeln brennen, zurechtzukommen. Davon leitet sich ab, ob ChatGPT einen Beitrag leisten kann oder möglicherweise Strukturen zerstört, die dafür notwendig wären.
Patrick Bronner: Wenn ich meine Schüler frage, wie viele von ihnen ChatGPT privat nutzen, kommt heraus, dass es 75 Prozent einer zehnten Klassenstufe tun, für Hausaufgaben und Referate – aber bisher eben meist ohne Anleitung und ohne pädagogische Unterstützung. Vor diesem Hintergrund müssen wir ChatGPT aktiv im Unterricht thematisieren. Die Schüler sollen lernen, kritisch, reflektiert und sinnvoll damit umzugehen. KI darf aber immer nur einen kleinen Teil von Unterricht ausmachen. Ich selbst setze das Tool im Unterricht vielleicht einmal für zehn Minuten ein und gehe dann zur nächsten Methode über. In meiner nächsten Physik-Klassenarbeit soll in einer von fünf Aufgaben KI angewandt werden. Die Schüler sollen das Programm befragen und reflektieren, ob die Antwort sinnvoll ist oder ob bestimmte Aspekte fehlen. ChatGPT ist ein Teil von gutem Unterricht, mehr nicht.
Das Streitgespräch zwischen (von links im Uhrzeigersinn) Ralf Lankau, Bob Blume, Gottfried Böhme – mit Kameraproblemen, daher nur im Audio zugeschaltet – und Patrick Bronner fand im Videokonferenzformat statt.
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Bild: Screenshot uweb
Ralf Lankau: Ich möchte gerne etwas grundsätzlicher werden. Meine Grundfrage ist, warum wir es uns von IT-Unternehmen vorgeben lassen, mit welchen Techniken und Werkzeugen wir im Unterricht zu arbeiten haben? Warum haben wir im Fall von ChatGPT seit November des letzten Jahres diesen großen Hype, warum wird dieses Tool derzeit von den Medien derart in den Mittelpunkt gestellt – die Technik ist ja nicht neu? Es ist wichtig für Schulen zu vermitteln, dass wir es bei ChatGPT mit einer Instanz zu tun haben, die ganz klar wirtschaftliche Interessen verfolgt. Ähnlich wie bei den Social-Media-Kanälen werden wir auch jetzt wieder dazu verführt, Dinge zu verwenden, die vor allem anderen einen Nutzen bringen, in diesem Fall eine beträchtliche Datenlieferung. Jeder, der mit ChatGPT arbeitet, ist ja Teil der Community, die dieses Tool mit optimiert oder die Datenbestände generiert.
Bob Blume: Aber Herr Lankau, es gibt doch längst datenschutzkompatible Versionen von ChatGPT.
Patrick Bronner: Und selbst beim normalen ChatGPT können sie in den Einstellungen festlegen, dass keine Daten gespeichert werden, und auch, dass keine Daten zum Training verwendet werden. Ich weise die Schüler sogar gezielt darauf hin: Bitte, wenn ihr es privat verwendet, nehmt diese Datenschutzeinstellungen vor.