Semesterferien sind schön – aber sie können auch endlos langweilig sein

Ich sitze in einem düsteren Seminarraum. Die Luft ist stickig, neben mir atmet mein Kommilitone seufzend aus. Der Dozent, ein kleiner, rundlicher Mann mit leuchtend roten Wangen redet über Werke aus der Romantik. Er hat schon vor einer halben Stunde eine Ausfahrt genommen, bei der keiner aus dem Kurs mitgefahren ist. Er hingegen rast durch die Autoren der Epoche. Streift Heinrich Heine, lässt E.T.A Hoffmann hinter sich und nimmt den Abzweig zu Ludwig Tieck. Ich schaue in gelangweilte Gesichter. Ein Sonnenstrahl bahnt sich den Weg in den Seminarraum und lässt Hoffnung aufblitzen. Hoffnung auf die näherrückenden Semesterferien.

Dieser Silberstreif am Horizont trägt tausende Studenten Semester für Semester durchs Studium. Egal ob die nervige Präsentation, die man überstehen muss, die stressige Klausurenzeit, die einen an den Rand des Wahnsinns treibt oder der Dozent, dessen Kurs einen nicht interessiert – alles wird erträglicher, wenn am Ende fast zwei Monate Freiheit warten.

Obwohl die Begriffe „Freiheit“ und „Ferien“ meist irrtümlich sind. Schließlich müssen die meisten Studierenden auch während der vorlesungsfreien Zeit Hausarbeiten schreiben oder Klausuren nachholen, sodass auch in dieser Zeit die Uni-Bibliotheken nicht leer bleiben.

Grenzenlose Faulheit

Bei mir jedoch bedeutet die vorlesungsfreie Zeit vor allem eines: Grenzenlose Faulheit. Nachdem ich meine letzte Klausur geschrieben habe, entfliehe ich dem Campus für mehrere Wochen. Zuhause verbanne ich den Wecker aus dem WG-Zimmer, stopfe die Uni-Unterlagen in die unterste Schublade meines Schreibtisches und streiche die Wörter „Arbeit“ oder „Studienleistung“ aus meinem Wortschatz. Ich werde zur Meisterin des Nichtstuns.

Frühstück und Mittagessen werden eins. Produktive Tage gibt es nicht mehr, statt dessen durchfeierte Nächte, statt Kaffee auf dem Uni-Campus gibt es Bier auf der nächsten Party. Ich besuche Freunde, die ich während des Semesters vernachlässigt habe und fahre in die Heimat, wo ich mich immer wie ein Kind und doch irgendwie angekommen und sorglos fühle. In dieser Zeit vergesse ich, dass ich studiere – und das ist auch gut so.

Jedoch führt diese kurzzeitige Amnesie bezüglich meines Studiums dazu, dass ich kurz vor Semesterbeginn verlernt habe, wie ein geregelter Alltag aussieht. Plötzlich rückt die Deadline für die Hausarbeit am Ende der Semesterferien unaufhaltsam näher und Kommilitonen beginnen sich in Arbeitsgruppen zusammenzufinden. Nur schwer kann ich mich am Ende jeder vorlesungsfreien Zeit aus meinem Lotterleben befreien und wieder in das Rolle der emsigen Studentin schlüpfen. Hat sich diese Bibliothek wirklich mal wie mein zweites Zuhause angefühlt? Gerade ist das definitiv nicht der Fall.

Die Routine fehlt

All das liegt weniger an grundsätzlicher Lustlosigkeit an meinem Studium, als an mangelnder Routine während meiner freien Zeit. Dabei habe ich während des Semesters immer tausende Ideen, wie ich meine lang ersehnte Freizeit sinnvoll nutzen und dieser ganzen Strukturlosigkeit Einhalt gebieten könnte. Schon seit mehreren Jahren will ich eigentlich eine neue Sprache lernen. Spanisch vielleicht oder Italienisch. Das würde sich nicht nur auf dem Lebenslauf gut machen, sondern auch für potenzielle Auslandsaufenthalte nützlich sein. Und eigentlich ginge das ja gut in den Semesterferien: über die Uni oder eine Sprachschule einen Fremdsprachenkurs absolvieren.

Ansonsten gäbe es ja auch noch die vielen Sportkurs-Angebote während der vorlesungsfreien Zeit. Eine Woche Surf- oder Skicamp werden je nach Uni und Jahreszeit für wenig Geld angeboten und versprechen nicht nur körperliche Aktivität, sondern auch neue soziale Kontakte. Weiß ich alles!

Reisen, aufräumen, Flohmarkt veranstalten

Zudem steht auf meiner To-Do-Liste schon seit längerem eine Fernreise. In keinem anderen Lebensabschnitt kann man sich leichter viele Wochen am Stück freinehmen, um nach Asien oder Südamerika zu reisen. Natürlich müsste hierfür das nötige Geld her, man müsste sich während des Semesters den einen oder anderen Kaffee verkneifen und sich etwas vom Werkstudentenjob zusammensparen. Theoretisch ginge das. Theoretisch.

Völlig kostenlos wäre dagegen das Ausmisten des WG-Zimmers. Eine Aufgabe, die ich während des Semesters gern mal schiebe, für die nun aber endlich mal genug Zeit wäre. Wer weiß: Vielleicht finden sich unter den ausgemisteten Klamotten, Büchern oder Platten sogar einige Schmuckstückchen, bei denen es sich lohnt, sie auf dem nächsten Flohmarkt zu verkaufen?

Aber statt dessen verfalle ich Jahr für Jahr dem Semesterferien-Blues und bleibe weitgehend ohne sinnvolle Beschäftigungen. Zum Trost aber bleibt immerhin noch eines: Der Semesterstart am Ende der zwei Monate langen Uni-Pause. Vielleicht kann ich mich in den ersten Wochen des neuen Semesters dann sogar wieder auf den runden, rotwangigen Romantikprofessor freuen.

Lina von Coburg (23 Jahre alt) studiert im Masterstudiengang „Theorien und Praktiken professionellen Schreibens“ in Köln. Neben ihrem Studium schreibt sie Gedichte, philosophiert über das Leben und macht sich Gedanken darüber, wie man als angehende Journalistin bestehen kann.

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.