Andreea Badea kann sich genau an die Worte ihrer ukrainischen Kollegin vor einem Jahr erinnern. Svitlana Potapenko, eine Historikerin aus Kiew, und ihr Sohn waren damals erst seit wenigen Tagen in Frankfurt. Ihre Flucht hatte 65 Stunden gedauert. Es war zu diesem Zeitpunkt unklar, ob Kiew den russischen Truppen standhalten würde. Potapenkos Mann war noch dort. Sie selbst hatte ein Stipendium für geflüchtete Wissenschaftler an der Goethe-Universität bekommen. Der Lehrstuhl, an dem Badea arbeitet, hatte alles in Windeseile organisiert. Badea hatte für Potapenko eine Wohnung und ein paar gespendete Möbel organisiert. Sie wollte ihr etwas vorbeibringen, klingelte an der Tür. Und Potapenko öffnete ihr mit den Worten: „Ich schreibe gerade einen Aufsatz fertig.“ Badea hat die Szene auch zwölf Monate später vor Augen: „Man sah, wie sie sich daran festhielt. Wie ihr ihre Arbeit Kraft gab.“
In den ersten Wochen nach Kriegsausbruch haben Hochschulen Gaststellen für ukrainische Wissenschaftler geschaffen. Wie viele Forscher im vergangenen Jahr in Hessen untergekommen sind, ist unklar. Vor dem Krieg – Stand Dezember 2021 – arbeiteten laut dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst 71 Ukrainer an staatlichen Hochschulen. Jüngere Zahlen liegen der Behörde nicht vor. Potapenko und andere ukrainische Forscher haben der F.A.Z. vor einem Jahr kurz nach ihrer Ankunft von ihren Erlebnissen berichtet. Nun, zwölf Monate später, hat sich einiges verändert. Potapenko drückt das so aus: „Damals war ich traurig, geschockt, habe keine Zukunft gesehen für mein Land – und auch meine Karriere. Jetzt ist die Situation ganz anders.“