KI im Bewerbungsprozess: Wen macht ChatGPT überflüssig?

Im ersten Anlauf hat der Bewerber alles richtig gemacht, seinen Lebenslauf hochgeladen, die Gehaltsvorstellung eingetragen und ein Anschreiben mitgeschickt – obwohl das kein Pflichtfeld ist. Eine Stufe weiter im Auswahlprozess soll er eine Maßnahme für eine Fallstudie vorschlagen und kalkulieren. Eine Arbeit, die er der Sprachsoftware ChatGPT überlässt. Die Folge: Im Vorstellungsgespräch kann er Rückfragen zu seiner Datenauswertung nicht beantworten, bestreitet aber jegliche Fremdleistung und erhält eine Absage. Anders die Bewerberin, die gleich zum Start ihrer Präsentation Künstliche Intelligenz als Quelle nennt, aber mit Hinweis auf eigene Erfahrungen auch andere Maßnahmen als die Maschine empfiehlt. „Das kam sehr positiv an“, berichtet Personalmanagerin Deborah Dudda-Luzzato aus der Praxis ihres Arbeitgebers, des Modeunternehmens Hugo Boss.

Dudda-Luzzato ist im Bundesverband der Personalmanager (BPM) als Leiterin der Fachgruppe Recruiting aktiv und hat eine Trendstudie mit Zukunftsszenarien zusammen mit der Hochschule Ludwigshafen auf den Weg gebracht. Ein Ergebnis: „Die deutschen Personalabteilungen gehen nicht davon aus, dass sich das Recruiting in den nächsten 15 bis 20 Jahren komplett automatisiert.“ KI bewirbt sich bei KI, und am Ende gibt es einen automatisierten Arbeitsvertrag: Dieses Szenario sei unwahrscheinlich: „Die KI hat keine Meinung, aber im Recruiting-Prozess muss am Ende eine Entscheidung getroffen werden“, sagt sie. Ein Grundsatz, der der bisherigen Rechtslage und ethischen Grundsätzen entspricht: Das letzte Wort bei einer Stellenneubesetzung muss der Mensch behalten.

Wen macht die KI überflüssig?

Dennoch hat sich laut Trendstudie der Bewerbungsprozess durch KI verändert, beschleunigt und individualisiert. Wenn Sprachsysteme Stellenanzeigen verfassen, Bildprogramme diese grafisch optimieren und Datenmanagementsysteme bei der Durchsicht von Bewerbungen oder der Mitarbeitererfassung unterstützen, gewinnen Personaler Zeit. „Die internen Recruiting-Teams können sich viel mehr mit den Menschen beschäftigen“, sagt Dudda-Luzzato. Die Befürchtung, KI könne Personalabteilungen überflüssig machen, teilten die befragten Experten in der Trendstudie nicht. Treffen könne es aber sehr wohl externe Berater und Headhunter: „Das könnte wegfallen, weil die internen Teams das zukünftig selber abdecken.“

Personal-Roboter vor Karriereberatung, auf diese Formel läuft es hinaus, folgt man dem „Institute for Competitive Recruiting“ von Wolfgang Brickwedde. Der frühere Personalmanager von SAP zeigt Arbeitgebern, wie sie ihre Personalbeschaffung mit digitalen Technologien optimieren können. „Nicht die KI wird die Recruiter ersetzen, sondern Recruiter, die mit KI umgehen können, werden das tun“, sagt er. Das gelte entsprechend für die Bewerber. Wer von der Jobsuche bis zur Vorbereitung auf das Interview KI einbezieht, beweise Effizienz. Der Berater hat auch schon mal vor Berliner Pu­blikum vorgeführt, wie ChatGPT Lebenslauf und Anschreiben in Sekundenschnelle auf ein Stellenangebot anpassen kann. Erst in einer formalen Version, dann nach der „Storytelling“-Methode, schließlich, passend zur Zuhörerschaft, in Berlinerisch. „80 bis 90 Prozent kann man davon nehmen, den Rest muss man dann noch selber schreiben“, sagt er.

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