Ideen von Uni-Präsidenten zur Reform des Wissenschaftssystems

Das deutsche Wissenschaftssystem muss reformiert werden – aber mit mehr Dauerstellen und neuen Regeln für befristete Beschäftigung lassen sich seine Probleme nicht lösen. Das ist die Kernbotschaft eines Thesenpapiers, an dem Universitätspräsidenten aus Hessen und Rheinland-Pfalz mitgewirkt haben. Entstanden ist der Beitrag in einer Arbeitsgruppe zur Zukunftsfähigkeit des Wissenschaftssystems.

Der Text nimmt unter anderem Bezug auf die Diskussion über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das novelliert werden soll. Die am 17. März vom Bundesforschungsministerium hierzu vorgestellten Eckpunkte – unter anderem eine Begrenzung der Postdoc-Phase auf drei Jahre – haben teils heftige Kritik hervorgerufen, sowohl von Nachwuchsforschern als auch von Professoren. Die Vorschläge sollen nun überarbeitet werden.

Weder der „etwas hilflos anmutende“ Versuch, Missständen durch Gesetzesänderungen zu begegnen, noch der Ruf nach mehr Geld für mehr Dauerstellen seien geeignet, um die Schwierigkeiten zu überwinden, schreiben die Verfasser des Thesenpapiers, das der F.A.Z. vorab zur Verfügung gestellt wurde. Vielmehr sei die interne Reformfähigkeit des Wissenschaftssystems ebenso gefordert wie die Eigenverantwortung hoch qualifizierter Akademiker.

Department-Strukturen statt großer Lehrstühle

Die Autoren kritisieren, dass es an den Universitäten immer noch zu viele von Einzelnen geleitete große Lehrstühle gebe. Dies schaffe unnötige Abhängigkeiten, stehe einer frühen echten Selbständigkeit von Nachwuchsforschern entgegen und mache deutsche Hochschulen für ambitionierte junge Wissenschaftler unattraktiv. Die Universitäten sollten daher auf große Organisationseinheiten mit flachen Hierarchien, sogenannte Department-Strukturen, setzen. Dazu gehöre die Bündelung von Infrastrukturen in „core facilitys“, die von dauerhaft beschäftigten Wissenschaftlern betrieben würden. Möglicherweise unnötig hierarchiebildend ist nach Meinung der Autoren auch die dreistufige W-Besoldung für Professoren. Denkbar sei, stattdessen die Grundbesoldung zu vereinheitlichen und dafür die Leistungszulagen flexibler zu vergeben.

Dies müsste dann aber von einer Stellenbesetzungsstrategie und wirksamen Verfahren zur Qualitätssicherung be­gleitet werden. Für eine solche Reform sei zudem eine länderübergreifende Abstimmung nötig, denn die Hochschulen stünden bei der Rekrutierung von Wissenschaftlern im Wettbewerb.

Mit Blick auf die Postdoc-Phase, in der sich promovierte Forscher für eine mögliche Professur qualifizieren, halten die Verfasser des Thesenpapiers eine Mindestdauer von vier Jahren zuzüglich in der Promotionsphase nicht genutzter Zeit für angemessen. Kürzere Qualifikationszeiten begünstigten risikoarme Forschung und benachteiligten Wissenschaftler mit familiären Verpflichtungen. Erstverträge – ob in der Promotions- oder Postdoc-Phase – sollten den Autoren zufolge eine Laufzeit von mindestens drei Jahren haben. Das Eckpunktepapier des Bundesministeriums für die Gesetzesnovelle schlägt für den Erstvertrag bei Doktoranden ebenfalls drei Jahre, bei Postdoktoranden da­gegen nur zwei Jahre vor.

Gegen ein Verbot von Kettenverträgen

Das Problem der sogenannten Kettenverträge – viele aufeinanderfolgende, befristete Anstellungen, meist aus Drittmitteln bezahlt – erfordert nach Ansicht der Unipräsidenten aus Hessen und Rheinland-Pfalz nicht unbedingt eine gesetzliche Lösung. Ein Verbot würde „die freie und bewusste Entscheidung für eine (in diesem Fall vergleichsweise unsichere) wissenschaftliche Karriere un­möglich machen“ und damit das Recht auf freie Berufswahl einschränken.

Um der wachsenden Zahl gesetzlich vorgeschriebener Daueraufgaben nachzukommen, bräuchten die Universitäten eigentlich mehr unbefristete Stellen. Solche in nennenswerter Zahl neu zu schaffen, erlaube aber die Haushaltslage mo­mentan nicht. Stattdessen müssten die vorhandenen Stellen innerhalb der Hochschulen anders verteilt werden. Derzeit spiegele die Verteilung oft nicht den tatsächlichen Bedarf, sondern überlieferte Strukturen und de facto dauerhafte Zusagen aus Berufungs- und Bleibeverhandlungen wider. Die Unis müssten eine transparente Übersicht über akademische Daueraufgaben schaffen und die Verteilung der Dauerstellen mittelfristig entsprechend anpassen. Die Stellen sollten dabei bevorzugt übergeordneten Strukturen und nicht einzelnen Professuren zugewiesen werden.

Zuletzt fordern die Autoren die Universitäten auf, besser über Karrierewege zu informieren, und zwar möglichst schon während der Promotionsphase. Übergreifende Beratung könne zum Beispiel in Graduiertenschulen angeboten werden. So lasse sich sicherstellen, dass alle Promovierenden einen realistischen Einblick in den Arbeitsmarkt ihres Fachgebiets bekämen. Sinnvoll könne es auch sein, Praxiselemente in die Promotionsphase zu integrieren, um den Blick der Doktoranden über die Wissenschaft hinaus zu weiten.

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.