Wenn der Fresenius-Bildungskonzern am nächsten Mittwoch im Wiesbadener Kurhaus mit Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) als Ehrengast sein hundertfünfundsiebzigjähriges Bestehen feiert, dann steht dieser Festakt auch für eine Zäsur: Die Muttergesellschaft Cognos AG wird umbenannt als Zeichen eines neuen Aufbruchs in die Bildungslandschaft der Zukunft.
Oliver Bock
Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für den Rheingau-Taunus-Kreis und für Wiesbaden.
Der neue Name, der erst zur Feier offiziell genannt wird, soll dem Gründungsvater des Jahres 1848 Referenz erweisen. Denn eines der größten privaten und unabhängigen Bildungsunternehmen in Deutschland, das Fachschulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen im In- und Ausland betreibt, muss sich neu erfinden und will dazu den Markencharakter stärken.
Ludwig Fresenius, 79 Jahre alt, ist der Vordenker des Umbruchs. Denn spätestens mit dem Beginn der Corona-Pandemie, der damit einhergehenden Digitalisierung und Neuordnung schulischer und beruflicher Ausbildung, sieht Fresenius die Bildungslandschaft vor einer Revolution. Die „Kreide“ für die Tafel im Hörsaal, die für Fresenius das Symbol der über Jahrhunderte gewohnten Bildungslandschaft ist, hat ausgedient und ist durch digitale Medien abgelöst worden.
Die Kreide-Zeit ist vorbei
Diese Digitalisierung hat aus dem Blickwinkel von Mehrheitsaktionär Fresenius für die Cognos AG alles verändert und ein neues Bildungsumfeld geschaffen. „Wir kommen in eine völlig neue Welt“, sagt Fresenius. Treiber der Revolution sind aus seiner Sicht die Perspektiven der Virtual Reality (VR) in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz (KI).
Die Folgen dieser Kombination sind noch kaum abschätzbar. Aber Fresenius rechnet fest damit, dass Fremdsprachen künftig keine Bildungshürden mehr sind. Er geht vielmehr davon aus, dass auch ein bildungswilliger Ostafrikaner in vielleicht zehn Jahren überall auf der Welt Onlineausbildungsprogramme wird buchen können, weil die Künstliche Intelligenz sämtliche Bildung- und Lerninhalte auch in Kisuaheli bereitstellen kann.
Vordenker: Ludwig Fresenius sieht die Welt der Bildung vor einem Umbruch.
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Bild: Samira Schulz
Wer sich künftig auf ein Praktikum vorbereiten will, kann demnach in der virtuellen Welt alle Handgriffe üben und wird von Künstlicher Intelligenz auf jeden Fehler und jedes kleine Missgeschick hingewiesen. Als Unternehmer mit Gründerblut begreift Fresenius diese Änderungen als Herausforderung und nicht als Bedrohung für den vornehmlich immer noch deutschen Bildungskonzern Fresenius. Ihm geht es darum, Wissenschaft und Wirtschaft nicht als Gegensätze zu sehen, sondern als zwei Seiten einer Medaille. Die Fresenius-Bildungsgruppe habe die Größe, ein eigenständiger Player in der neuen Bildungswelt zu bleiben, sagt Fresenius: „Wir sind da, um zu bleiben.“
Allerdings nicht als Einzelspieler, sondern in einem globalen Verbund, einem weltweiten Netz eigenständiger Bildungsgruppen. Die von Fresenius wegen ihres großen Erfolgs respektierte Arizona State University könnte so ein Partner sein, mit dem schon Gespräche geführt werden. Die 175 Jahre alte Marke Fresenius sei ein „Riesenschatz“, und das lebenslange Lernen werde noch einmal an Bedeutung gewinnen, weil viele Erkenntnisse und Fähigkeiten die Menschen nicht mehr durch ein ganzes Berufsleben trügen. Wandert die Bildung absehbar ganz ins Internet? Fresenius glaubt nicht daran. „Heimat“ werde vielmehr wieder wichtiger, auch für die Alma Mater. Fresenius glaubt auch nicht daran, dass Künstliche Intelligenz Beschäftigung in nennenswertem Umfang überflüssig machen wird: „Arbeit wird immer da sein.“