Erste queere Jobmesse an der Goethe-Universität Frankfurt

Ein schwuler Mann geht am Wochenende mit seinem Partner zum Christopher Street Day. Am Montag fragt ihn sein Chef, wie er das Wochenende verbracht habe. Was soll der Mitarbeiter sagen? Auf die Frage, die Florian Hehz stellt, fällt queeren Menschen nicht immer gleich eine Antwort ein. Eine Studie der Boston Consulting Group von 2021 ergab, dass sich 20 Prozent der queeren Arbeitnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz nie vor ihrem Arbeitgeber outen würden – aus Angst vor beruflichen Nachteilen.

Anwaltskanzleien und Consultingfirmen stehen bisher nicht im Ruf, besonders divers zu sein. Doch das ändere sich gerade, glaubt Florian Hehz. Er ist Consultant und Changemanager der Frankfurter Unternehmensberatung Campana & Schott. „Die großen Firmen sehen das Potential der Community und ihrer Menschen schon längst.“ Also Offenheit statt Versteckspiel? „Ja.“ Hehz steht in der Goethe-Uni am Stand seines Unternehmens beim Rainbow-Day, nach eigenen Angaben die erste Jobmesse für queere Menschen in Deutschland. Rund 60 Arbeitgeber, private wie öffentliche, sind auf der Messe vertreten. Viele von ihnen sind hoch platziert im sogenannten PRIDE-Index, der Unternehmen nach Diversität und Unterstützung queerer Mitarbeiter bewertet.

Oft gibt es in den Unternehmen entsprechende Netzwerke, so auch bei Campana & Schott. „Das wurde nicht von oben herab gegründet, sondern von Mitarbeitern selbst“, sagt Hehz. Doch sei es nicht nur für LGBTQ+-Mitarbeiter gedacht. „Es geht auch darum, zu sensibilisieren, deshalb ist jeder zu den Treffen eingeladen.“ Auch eine Frauen- und Genderinitiative gebe es im Unternehmen. Das „Schubladendenken“ solle so aufgebrochen werden.

Gegen das „Schubladendenken“ angehen

Die Anwaltskanzlei Baker McKenzie ist ebenfalls auf der Messe vertreten. „Hier zu sein, Mitarbeiter abzustellen, allein das ist von allen Unternehmen auch ein Statement“, heißt es am Stand. Vor den messetypischen Fragen nach Bewerbung und Karrierechancen erkundigten sich die Besucher hier nach der Arbeitskultur. Baker McKenzie habe für queere Mitarbeiter Netzwerke eingerichtet. Auch gebe es ein Diversity Committee, das sich für Inklusion und Chancengleichheit einsetze.

Bei schlechten Erfahrungen mit Kollegen oder Kunden stünden Vertrauenspersonen bereit, an die sich queere Mitarbeiter wenden könnten. Regelmäßig gebe es internationale Vernetzungsgespräche. Die Probleme einer lesbischen Anwältin aus Asien seien mitunter andere als die einer europäischen Kollegin. Diversität beginne aber schon beim Recruiting, nämlich mit dem Gendern der Arbeitsverträge.

„Be the change“, „Bring your true self to work“, „Celebrate the diffe­rence“. Die Botschaften an den Ständen richten sich an Besucher wie den 28 Jahre alten Masterstudenten Tristan, der seinen Nachnamen nicht veröffentlicht sehen will. Überzeugen sie ihn? „Wer hier ist, wird es schon auch ernst meinen.“ Einige Bewerbungsgespräche habe er schon geführt, eingestellt worden sei er nicht. Wohl auch wegen seiner Identität, meint er.

Kommunikation ist der erste Schritt

Tristan ist transsexuell. Verbergen wolle, ja könne er das auch gar nicht, es sei schließlich ein Teil von ihm. „Aber es ist ein gutes Zeichen, dass die Unternehmen hier offen darüber sprechen und sich Gedanken machen.“ Kommunikation sei der erste Schritt. Er wünsche sich eine berufliche Zukunft, in der er nicht mehr „angemacht“ werde. „Mehr eigentlich nicht.“ Das Coming-out gegenüber dem neuen Arbeitgeber sei für viele ein großer Schritt. Manche Heterosexuelle sähen nicht, dass es dieses Problem überhaupt gebe, und reagierten dann mit unterschwelliger Ablehnung.

Christian Wichmann ist sich dessen bewusst. Er ist Leiter der Brand Experience bei der Bank ING DiBa. Das Unternehmen wolle sichtbare Vorbilder generieren und eine Kultur schaffen, die nicht nur toleriere, sondern sich „ausdrücklich“ diverse Menschen wünsche. „Es darf keine Ablehnung aufgrund des Alters, Geschlechts oder der Sexualität geben.“ Früher sei er für ein großes Unternehmen der Lebensmittelbranche tätig gewesen. „Dort gab es diesen Raum für queere Menschen nicht.“ Darunter leide immer auch die Produktivität: Wer sich verstecken müsse, der schöpfe sein Potential nicht voll aus. Beim Christopher Street Day am Wochenende in Frankfurt ist die ING DiBa mit einem Wagen vertreten – auch das soll ein Statement sein.

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