Herr Bronner, wie setzen Sie ChatGPT in der Schule ein?
Anfangs habe ich ChatGPT lehrerzentriert im Unterricht eingesetzt und vorgeführt. Neuerdings, seit Firmen in Deutschland datenschutzkonforme Zugänge über eine API-Schnittstelle für den Einsatz im Unterricht anbieten, können sich die Schülerinnen und Schüler über einen QR-Code einloggen und einen Arbeitsauftrag auf ihrem Tablet ausführen. Diese neue Möglichkeit ist wirklich großartig, denn ich kann ChatGPT personalisiert einsetzen und die Schülerinnen und Schüler von einer passiven zu einer aktiven Arbeit mit künstlicher Intelligenz (KI) bringen. Bei einer Google-Suche ist das ja so: Fast jeder Schüler hat das gleiche Suchergebnis, bei KI-Tools kommen ganz unterschiedliche Texte und Bilder heraus – und diese Ergebnisse müssen anschließend bewertet werden. Deshalb ist der zweite Schritt ganz wichtig: Stimmt das alles? Was ist falsch, wo muss ich noch einmal nachschauen? Gerade in der Mathematik gibt es bei ChatGPT manchmal noch ziemlich falsche Antworten. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, KI nicht als Copy-and-paste-Anwendung, sondern als Inspirationsmaschine zu nutzen.
Mit dem Überprüfungsschritt kann man im Grunde die Fehleranfälligkeit des Programms in eine Art Detektivarbeit ummünzen.
Ja, es macht den Schülern Spaß, Fehler in den Antworten von ChatGPT zu finden. Aber natürlich brauchen sie dafür ein solides Fachwissen – und gleichzeitig ein gutes Textverständnis. Kürzlich habe ich eine Klasse im Physikunterricht Methoden zur Bestimmung der Tiefe einer Schlucht anhand des freien Falls eines Steins mit GPT erarbeiten lassen. Die Motivation zur abstrakten Aufgabe ergab sich durch eine entsprechende Szene in einem „Peppa Wutz“-Videoclip. Von der KI wurden verschiedene Methoden Schritt für Schritt erklärt und waren meistens sehr gut und richtig. Dabei ist mir aufgefallen, wie anspruchsvoll und kognitiv aktivierend die Antworten in ihrer reinen Textform eigentlich sind. Bei einer Internetrecherche habe ich sofort ein Bild oder eine Skizze als Ergebnis und kann sehr schnell auch ein zum Thema passendes Erklärvideo anklicken. Mit ChatGPT wird fast zwangsläufig auch in den Naturwissenschaften das Textverständnis stärker gefördert.
Es ist also vorschnell zu sagen, ChatGPT schade der Sprachfähigkeit von Schülern, da es ihnen zu viel Arbeit abnimmt.
Die Schülerinnen und Schüler können sich in ChatGPT Erklärungen auf unterschiedlichem sprachlichem Niveau geben lassen. So formulieren Schülerinnen und Schüler, die noch nicht so weit sind: „Bitte erkläre mir den Sachverhalt verbal für die 4. Klasse der Grundschule“. Auf dieser Grundlage können sich die Lernenden dann langsam bis zum formelmäßigen Zusammenhang steigern. Darüber hinaus verfügt ChatGPT über Förder- und Diagnoseelemente, die bemerkenswert sind. Auch die erste Mathematikplattform eines Schulbuchverlags nutzt neuerdings KI: Es wird analysiert, auf welchem Niveau sich der Lernende befindet, und abhängig davon werden ihm Übungen digital zugewiesen, die sein Niveau steigern sollen. Diese Möglichkeiten möchte ich im Unterricht nicht mehr missen.
Was halten Sie von den KI-gestützten Korrekturhilfen, die es mit PEER von der TU München, mit DeepL Write und auch mit ChatGPT selbst neuerdings gibt – sind sie schon ausgereift genug?