Herr Blume, wofür kann man ChatGPT in der Schule einsetzen?
Im Grunde kann man ChatGPT für alles einsetzen, was mit Sprache zu tun hat. Für die Schule ist es interessant, bei Künstlicher Intelligenz (KI) sogenannte Mega-Prompts, also komplexe Befehle anzuwenden. Deren Formulierung muss aber geübt werden. Doch gibt es gerade im Bildungsbereich inzwischen schon viele Anleitungen, wie man diese Prompts am besten baut. Das Spannende und auch das Revolutionäre, wenn man so möchte, ist, dass ChatGPT nicht nur Texte erzeugt, sondern sich das Programm auch – bei Folgefragen und Befehlen – auf die eigenen Texte rückbeziehen kann. Wenn man verstanden hat, dass man die Ergebnisse der KI weiter anpassen kann, entsteht ein unglaubliches Potential fürs Lernen, aber auch fürs Lehren.
Wie nutzen Sie das Programm im Unterricht?
Ein konkretes Beispiel: In der sechsten Klasse sollen die Schülerinnen und Schüler das Berichten lernen, häufig am Beispiel eines Unfallgeschehens. In den Schulbüchern werden zum Beispiel verschiedene Zeugenaussagen präsentiert, die zusammengeführt werden müssen. Meine erste Idee war, ChatGPT einen Unfall entwerfen zu lassen. Etwas Ähnliches hatten wir schon einmal mit einer Fabel ausprobiert. Die KI hatte eine solche entworfen, und wir haben überprüft, ob die wesentlichen Merkmale tatsächlich vorhanden sind. Bei dem Unfallbericht haben wir dann folgendes getestet: ChatGPT sollte den Unfall selbst nicht darstellen, sondern nur unterschiedliche Zeugenaussagen zu einem Geschehen anbieten. Und das funktionierte. Die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler war es dann, mit gezielten Fragen, die wir zuvor im Unterricht erarbeitet hatten, die verschiedenen von ChatGPT entworfenen Zeugen zu befragen: den Lkw-Fahrer, den Mann, der an der Kreuzung stand, den vom Unfall betroffenen Autofahrer und so weiter. Spannend zu sehen war, dass die KI den Schülern eine Art virtuelle und dynamische Assistenz anbot.
So setzt man ChatGPT zum Einüben von Unfallberichten ein.
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Bild: privat
Ein anderes Beispiel: Ich kann bei ChatGPT einen beliebigen Text eingeben und fragen, wo die Fehler liegen und ich kann sogar fragen, warum diese Fehler wohl gemacht wurden. Und plötzlich habe ich eine ganz individuelle Form der Rückmeldung. Das wird dann total spannend. Aber die richtige Haltung zur KI ist entscheidend. Wenn man sich in der Schule nicht intensiv damit auseinandersetzt, hat ChatGPT das Potential in sich, die Bildungsschere noch weiter aufgehen zu lassen.
Noch ein Beispiel: Wir haben vor dem Hintergrund unseres historischen Wissens in der achten Klasse auf ChatGPT einen armen Industriearbeiter im geographischen Deutschland des 19. Jahrhunderts über seine Wohn- und Familienverhältnisse befragt und das Ergebnis dann abgeglichen mit unseren Kenntnissen. Diese kritische Beurteilung der jeweiligen Ergebnisse ist aus zweierlei Gründen wichtig: Erstens macht ChatGPT, obwohl die KI extrem gut ist, Fehler. Zweitens geht es auch um ethische Aspekte: Welche Grenzen sollte eine Befragung der KI haben – wäre es zum Beispiel auch vertretbar, Fragen an Lagerinsassen in Zeiten des Nationalsozialismus zu stellen? Aus meiner Sicht würde da eine ethische Grenze überschritten.
ChatGPT kann das Gespräch mit erfundenen historischen Figuren fingieren.
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Bild: privat
Alle Aufgaben, die Sie gerade vorgestellt haben, tragen eine Storytelling-Komponente in sich, die den Unterricht lebhafter macht.