Umstrittene Ministerin
Reiche polarisiert mit ihrem Führungsstil
10.11.2025 – 16:44 UhrLesedauer: 4 Min.
Katherina Reiche ist ein halbes Jahr im Amt. In dieser Zeit hat sie so einige gegen sich aufgebracht, andere loben sie. Noch ist unklar: Wohin will sie mit ihrem Ministerium?
Als der Name Katherina Reiche im Frühjahr als mögliche Wirtschaftsministerin auftauchte, hatte kaum jemand damit gerechnet. Dabei war Reiche zu dem Zeitpunkt durchaus bekannt und verfügte über beträchtliche politische und wirtschaftliche Erfahrung. Als Frau und Ostdeutsche schien sie in vielerlei Hinsicht eine passende Kandidatin für das Merz-Kabinett zu sein.
Allerdings gab es von Anfang an auch Kritik an der Personalie. Ihr wurde vor allem zu große Nähe zur Energiewirtschaft nachgesagt, wo sie zuletzt als Spitzenmanagerin gearbeitet hatte. Nun ist sie seit einem halben Jahr im Amt und hält an diesem Montag eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede.
Ihre Bilanz der ersten sechs Monate ist durchwachsen. Die Wirtschaft sah sie anfangs als Hoffnungsträgerin, große Teile tun das immer noch, andere zeigen sich mittlerweile aber auch resigniert. Von ihrem Vorgänger Robert Habeck grenzt sie sich offensiv ab – insbesondere in der Energiepolitik. Reiche schafft es, trotz Gegenwind Themen zu setzen und sich selbst die Aufmerksamkeit zu sichern.
Reiche ist ein Politprofi, hat früh Karriere als Berufspolitikerin in der CDU gemacht. 1998 wurde sie mit 25 Jahren Bundestagsabgeordnete, zwei Jahre später saß sie im Bundesvorstand. Später gehörte sie zu Edmund Stoibers Schattenkabinett und wurde stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Zuletzt war sie Staatssekretärin im Umwelt- und dann im Verkehrsministerium, bevor sie sich 2015 vorerst aus der Politik verabschiedete und in die Wirtschaft ging.
Kritisiert wurde sie schon damals wegen zu großer Wirtschaftsnähe. Nur wenige Tage nach ihrem Abschied trat ein Gesetz in Kraft, das eine Karenzzeit von bis zu 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus politischen Ämtern einführte. Reiche wurde aber noch vorher Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Zuletzt war sie Vorstandsvorsitzende bei Westenergie.
Als sie nun wieder in die Politik zurückkehrte, befürchtete so mancher, sie vertrete die Interessen der Energielobby in der Regierung. Einige sehen sich darin bestätigt, etwa Vertreter der erneuerbaren Energiewirtschaft: „Die neue politische Richtung ist katastrophal“, erklärte Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein Deutschland. „Statt jetzt alles auf erneuerbare Energien zu setzen, wird die Abschaffung der Einspeisevergütung diskutiert und neue Gaskraftwerke werden beschlossen.“ Ein von Reiche vorgestellter Plan für die Zukunft der Energiewende kommt in der Branche nicht gut an. In den Plänen der Ministerin fehle bei der Elektrifizierung „jegliche Ambition“, heißt es vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE).
Auch die konjunkturelle Entwicklung spricht aktuell noch nicht für Reiche. Die Wirtschaft wächst nur langsam, die Arbeitslosenzahlen stagnieren. „Die Aufbruchstimmung direkt nach der Wahl war gut und wichtig“, erklärte der Geschäftsführer vom Verband der Maschinenbauer VDMA, Thilo Brodtmann. „Doch von einem Aufbruch ist inzwischen immer weniger zu spüren.“
