Manuela Freitag hat Gewalt, Abhängigkeit und Macht erlebt – und sich ihre Freiheit selbst geschaffen. Nun erzählt sie ihre Geschichte, die mitten in die Debatte über Sexarbeit trifft.
Seit Montag ist die dreiteilige ZDF-Dokuserie „Herbertstraße – Geschichte einer Domina“ in der Mediathek zu sehen. Am Samstag, 8. November, läuft sie im Nachtprogramm. Regisseur Peter Dörfler erzählt das Leben von Manuela Freitag, der dienstältesten Domina Deutschlands – und damit eine Geschichte, die weit über den Kiez hinausreicht.
Wer abends von der Reeperbahn in die Herbertstraße einbiegt, spürt sofort, dass hier andere Regeln gelten. Hinter Fenstern sitzen Frauen in rotem Licht. Manche lehnen gelangweilt auf dem Stuhl, andere mustern die Männer draußen – neugierig, prüfend, distanziert.
Eine dieser Frauen ist Manuela Freitag. Seit über drei Jahrzehnten arbeitet sie hier, in einer der berühmtesten Straßen Europas. Die Serie begleitet sie vom Pflegekind zur Prostituierten, von der Abhängigkeit zur Selbstermächtigung. Dörfler zeigt sie nicht als Skandalfigur, sondern als Frau, die in einer harten Welt ihre Regeln selbst schreibt.
Freitag wächst in Bremen als Heimkind auf, ohne ihre leiblichen Eltern zu kennen. Früh erlebt sie Gewalt, Entwurzelung, Missbrauch. „Ich war ein Teufel als kleines Kind. Das hat mich ja alles aggressiver gemacht“, sagt sie im Rückblick. Mit 16 landet sie auf dem Straßenstrich, pendelt zwischen Bremen und Hamburg, sucht ihre Mutter – und wird mehrfach von der Polizei aufgegriffen, weil sie noch minderjährig ist. Von einem Zuhälter wird sie mehrmals vergewaltigt.
Mit 18 kauft sie sich von ihrem letzten Zuhälter frei: „10.000 Mark Abstecke, dann war ich mein eigener Chef“, sagt sie. Doch die vermeintliche Freiheit bleibt gefährlich. „‚Club Sheila‘ und ‚Club 88‘ – das waren die angesagten Discos. Alle sahen gut aus, trugen lange Haare, waren schick angezogen.“ Die Reeperbahn ist Verheißung und Falle zugleich. Später wird sie spielsüchtig.
In den 90er-Jahren richtet sich Freitag schließlich in der Herbertstraße ein eigenes Zimmer ein. „Ein eigenes Schaufenster war für mich ein Sechser im Lotto“, sagt sie. Sie legt sich ein neues Image zu, wird Domina. Aus der Ausgelieferten wird die, die Kontrolle spielt – und besitzt.
Dörfler erzählt mit dokumentarischer Ruhe und präzise gesetzten Spielszenen. Er beobachtet, er bewertet nicht. Die Kamera bleibt nah an Freitag, die Musik markiert Zeitspuren, Stimmen wie die ehemalige Revierpolizistin Esther Lindemann oder Aktivistin Huschke Mau ordnen das Milieu ein.










