Seit der Machtübernahme der Taliban kommen nur wenige Nachrichten aus Afghanistan zu uns. Ein deutscher Fotograf hat eine Hilfsorganisation ins Krisengebiet begleitet.

Nach fast 20 Jahren westlicher Militärpräsenz übernahmen die Taliban im August 2021 erneut die Macht in Afghanistan. Seitdem ist es schwer geworden, aus dem von Krieg und Krisen geplagten Land zu berichten. Nicht viele Nachrichten dringen nach außen.

Umso wichtiger ist es jedoch, diese wenigen Berichte zu hören, um zu verstehen, was in Afghanistan vor sich geht. Martin Webelhaus kommt aus Bonn. Er ist Fotograf und begleitet in dieser Funktion eine Hilfsorganisation, die humanitäre Hilfe nach Afghanistan liefert. Im Gespräch mit t-online erzählt er von seinen Eindrücken und der Sicherheitslage im Land.

t-online: Herr Webelhaus, wo erreiche ich Sie gerade?

Martin Webelhaus: Aktuell bin ich in Herat, nach Kabul die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Stadt liegt im Westen Afghanistans, nicht weit von der Grenze zum Iran. Im vergangenen Oktober gab es hier ein großes Erdbeben, bei dem viele Menschen gestorben sind.

Wie kommt man auf die Idee, nach Afghanistan zu reisen?

Mir kam die Idee auf meiner Pilgerreise nach Mekka. Dort habe ich viele Menschen aus Afghanistan kennengelernt, die mir durch ihre Herzlichkeit aufgefallen sind. Sie haben mich beeindruckt. Da habe ich für mich den Entschluss gefasst, nach Afghanistan zu reisen.

Und jetzt sind Sie dort. Wie kam es dazu?

Nach meiner Reise habe ich viele Hilfsorganisationen kontaktiert und ihnen erzählt, dass ich sie gerne fotografisch begleiten würde. Als mich dann die Vorstandsvorsitzende von Asiyah International angerufen hatte, dämmerte es mir: Martin, du fährst nach Afghanistan.

Seit etwas weniger als zwei Jahren haben die Taliban die Macht in Afghanistan an sich gerissen. Gibt es Probleme für die Hilfsorganisation im Umgang mit den islamistischen Kämpfern?

Grundsätzlich habe ich schon das Gefühl, dass die Taliban humanitäre Hilfe zulassen, sie nicht schon im Voraus ablehnen. Ein großes Problem ist allerdings, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand tut.

Es gibt überhaupt keine Strukturen, welche die humanitäre Hilfe im Land koordinieren. Das führt dazu, dass Lieferungen teils ziemlich chaotisch ablaufen. Ein Beamter erlaubt eine Lieferung, der nächste muss allerdings erst bei seinem Vorgesetzten nachfragen, wodurch sich die dringend benötigte Hilfslieferung verzögert. Das ist eines der Hauptprobleme. Allerdings habe ich bisher nicht gesehen, dass die Taliban Hilfslieferungen bewusst unterbinden.

Wie erleben Sie denn die Sicherheitslage im Land?

In der Hauptstadt Kabul, wo ich angekommen bin, gab es unglaublich viele Kontrollen durch die Taliban. Wir mussten dauernd anhalten, damit Wachposten unsere Autos inspizieren konnten. Die haben dann geschaut, was wir im Kofferraum hatten. Das tun sie aus Angst vor Anschlägen durch den sogenannten Islamischen Staat, die es hier in der Vergangenheit immer wieder gab.

Insgesamt ist die Lage in Kabul ziemlich eindrücklich. An vielen Orten in der Stadt stehen bis zu fünf Meter hohe Mauern, und überall gibt es die angesprochenen Kontrollen. Die Taliban fragen dich manchmal auch, warum du an deinen Zielort reisen willst. Aber wenn man ihnen erklärt, dass man mit einer Hilfsorganisation da ist, lassen sie uns passieren. Ein Taliban-Kämpfer hat sich sogar dafür bei mir entschuldigt, dass er mich kontrolliert hat.

Unsicher habe ich mich nur am ersten Tag in Kabul gefühlt. Da habe ich mich auf einen Stuhl gesetzt, der plötzlich wackelte. Das war ein Erdbeben, was man in Deutschland auch nicht alle Tage erlebt.

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