Einige Mitstreiter hat Kleinwächter, wie den Bundestagsabgeordneten Rainer Galla, der im Clinch mit dem Vorstand liegt oder die marginalisierte Landtagsabgeordnete Daniela Oeynhausen. Er löst sich am Mikrofon mit ihnen ab. Es ist eine Dauerbeschallung mit Kritik, die die Gründungsgeister der AfD beschwört: gegen „Filz“, gegen „Korruption“, gegen „Karrieristen“ und „Kofferträger“ schimpfen sie da.
Als „Aufstand der Geschassten“ bezeichnet ein Funktionär das später. Doch dieser Aufstand entfaltet einige Wirkung – und eine für den Vorstand ungünstige Schieflage: Der schickt seine prominentesten Mitglieder für die Gegenrede an die Mikrofone. Die appellieren erst an Vernunft, Erfolgssinn, Solidarität, werden dann wütend, laut und gehen Kleinwächter teils persönlich an.
Sogar Fraktionschef Christoph Berndt und der designierte neue AfD-Jugend-Chef Jean Pascal Hohm plädieren mehrfach für das Delegiertensystem – dabei sind sie „Bewegungsmänner“, Trommler auf der Straße, eigentlich starke Stimmen für die Basisdemokratie.
Doch je mehr sich der Vorstand einsetzt, je mehr er sich wehrt, desto mehr bestätigt er die Urängste der AfD-Basis, die Kleinwächter nährt: Die da oben wollen euch übervorteilen. Die da oben verraten die Ideale der Partei.
Erschwerend kommt hinzu, dass es am Samstag ja nicht nur um die Mitgliederparteitage geht, sondern um gleich mehrere Maßnahmen, die dem Vorstand, speziell dem Parteichef, mehr Macht geben sollen. Darunter: die Installation eines Generalsekretärs, der organisieren, dem Landeschef den Rücken freihalten und die Partei scharf nach außen vertreten soll. Vorgeschlagen allein vom Parteichef. Ein Mann, der seine Macht mehren soll.
Speziell der Brandenburger AfD-Verband aber hat keine guten Erfahrungen mit starken Männern gemacht. Im Gegenteil: Er ist von ihnen traumatisiert. Über Jahre lag die Macht im Verband in den Händen von Andreas Kalbitz. Der war Landes- und Fraktionschef in Brandenburg, aber auch so etwas wie Höckes Generalsekretär: Kalbitz zog von Brandenburg aus bundesweit die Fäden im Sinne Thüringens, verschaffte dem Höcke-Flügel so große Erfolge und prägte so nachhaltig die gesamte AfD.

Doch Kalbitz ging dabei skrupellos vor, seine Methoden waren brutal und richteten sich gegen die eigenen Leute. In der AfD kursieren zuhauf Geschichten über ihn, die Journalisten nicht aufschreiben können, weil sie ohne handfeste Beweise justiziabel wären. Wie kein anderer Landesverband wissen die Brandenburger deswegen, was es bedeutet, wenn zu viel Macht in den falschen Händen liegt.
Springer ist anders als Kalbitz. Dessen Methoden liegen ihm fern, im Verband ist er deswegen auch lagerübergreifend beliebt oder wird zumindest getragen. Deswegen klingt Springer in der Debatte um den Generalsekretär nicht nur verletzt, sondern eben auch ein wenig verzweifelt, als er vom „Arsch aufreißen“ spricht und postuliert: „Wir sagen: Das Ziel zu regieren, erreichen wir eher mit Generalsekretär als ohne.“
Doch es ist fast 17 Uhr, als Springer die Ohrfeige erhält: Die Basis vertraut ihm und seinem Landesvorstand nicht genug, um ihnen diese Macht zu schenken. 55 Prozent stimmen für die Satzungsänderung, 45 Prozent dagegen. Eine Mehrheit, aber sie reicht nicht aus – für Satzungsänderungen bedarf es, eben weil sie grundlegend sind, einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln.
Unglücklich sieht Springer aus, aber gefasst, als er danach vor die Presse tritt. Die fragt das Offensichtliche: Ob ihm die Mitglieder nicht genug vertrauen? „Grundsätzlich sind wir in der AfD organisiert, weil wir ein ausgeprägtes Misstrauen gegen das Establishment haben“, sagt Springer ehrlich. „Und dieses Misstrauen, das überträgt sich logischerweise auch innerhalb der Partei auf die, die führen.“
Das sei auch gut so, sagt er. Aber im Frühjahr, auf dem nächsten Parteitag, wolle man es wieder versuchen mit der Satzungsänderung. Notwendig sei sie eben, wenn man regieren wolle – und das wolle man unbedingt. Aufgabe des Landesvorstands sei es jetzt, das Vertrauen herzustellen, den Mitgliedern zu zeigen: „Wir vertreten die Interessen der Basis.“ Die sehr viel größere Frage aber, die der Abend in Brandenburg aufwirft, ist, ob das überhaupt stimmt.










