Fast das gesamte Kabinett reist am Montag und Dienstag mit dem Bundeskanzler zu deutsch-polnischen Regierungskonsultationen nach Warschau. Der Zeitpunkt könnte mit Blick auf die Parlamentswahlen in Frankreich nicht wichtiger sein.

Aus Warschau berichtet Sara Sievert

Sie schütteln Hände, lachen sich zu, bekräftigen immer wieder, wie schön das Zusammenkommen hier in Warschau an diesem Dienstagmorgen doch ist. Der Bundeskanzler Olaf Scholz und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sind deutlich darum bemüht zu demonstrieren, wie gut man sich nun endlich versteht. Wie wichtig die Zusammenarbeit ist – für Deutschland, für Polen und für Europa, so betonen sie immer wieder.

„Ich freue mich sehr, dass wir uns heute treffen konnten in diesem tollen Format der Regierungskonsultationen“, sagt Tusk, und Scholz lächelt. „Das ist ein gutes Treffen, und es hat auch wirklich einen guten Verlauf genommen“, betont Scholz, und Tusk nickt.

Immer wieder bekräftigen sich die beiden Regierungschefs gegenseitig – und versuchen, Unstimmigkeiten zu umschiffen. Sie wissen, was auf dem Spiel steht.

Video | Deutschland und Polen vereinbaren engere Zusammenarbeit

Quelle: reuters

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind dieser Tage so wichtig wie lange nicht mehr. Einmal, weil Polen einer engen Zusammenarbeit durch den Regierungswechsel erstmals seit Jahren wieder offen gegenübersteht. Lange hatte das Verhältnis unter der Regierung des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki gelitten. Mit dem Wechsel zu Donald Tusk im Dezember vergangenen Jahres wuchs die Hoffnung darauf, die Partnerschaft der beiden Länder erneut zu stabilisieren.

Hinzu kommt, dass mit Frankreich gerade Deutschlands wichtigster Partner in Europa wegzubrechen droht. Geht die zweite Runde der Parlamentswahlen, die Präsident Emmanuel Macron nach der Europawahl ausgerufen hatte, so aus wie die erste, steht den Franzosen bald ein Regierungswechsel bevor, der nicht nur das eigene Land zu destabilisieren droht. Der Grund: Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen könnte dann mit ihrer Partei Rassemblement National die Mehrheit im Parlament stellen. Für Deutschland droht damit ein wichtiger Stabilitätsanker in Europa wegzubrechen.

Entsprechend könnte zwischen Polen und Deutschland in diesen Tagen eine wichtige, neue europäische Machtachse entstehen. Wird Tusk dann zum neuen Macron für Scholz?

Lange war das Verhältnis zu Polen kein einfaches. Die antideutsche Stimmung der PiS-Regierung hatte die bilateralen Beziehungen deutlich beeinträchtigt.

Hinzu kommt, dass es in der polnischen Bevölkerung schon länger die Erwartungshaltung gibt, dass Deutschland mehr Wiedergutmachung für die Verbrechen der NS-Zeit leistet. Die nationalkonservative PiS, die das Land von 2015 bis 2023 regierte, hatte hier Forderungen für Reparationen in Höhe von mehr als 1,3 Billionen Euro an Deutschland gestellt.

Umso wichtiger ist es der Bundesregierung nun, das Verhältnis nach all den Jahren wieder zu stabilisieren. Im Rahmen des Weimarer Dreiecks, also gemeinsam mit Frankreich. Aber auch bilateral.

Das gemeinsame Treffen der beiden Kabinette der deutschen und polnischen Regierungen ist das erste seit sechs Jahren. Scholz ist mit zehn Bundesministern und zwei Staatsministern angereist. Es ist ein klares Zeichen beider Seiten. An die eigenen Länder. Aber auch, wenn nicht vor allem, nach Europa.

Nur: Am Ende ist das Ergebnis der Regierungskonsultationen auf den ersten Blick überschaubar. Ein 40-seitiger Aktionsplan mit vielen Absichtserklärungen und wenig Konkretem. Eine Ausnahme ist etwa die Gründung eines Deutsch-Polnischen Hauses in Berlin, zur Erinnerung an die polnischen Opfer des Nationalsozialismus. Allerdings war in diesem Fall schon vor dem Besuch des Kanzlers klar, dass es dazu kommen würde.

Eigentlich hatten sich die Polen noch etwas anderes erhofft: etwa Zahlungen zur Unterstützung der noch lebenden Opfer der Besatzung. Hierzu steht in dem Papier nur: „Die beiden Regierungen führen einen intensiven Dialog über Maßnahmen zur Unterstützung für die noch lebenden Opfer des deutschen Angriffs und der Besatzung in den Jahren 1939 bis 1945, des Gedenkens sowie der Sicherheit.“ Übersetzt: Schauen wir mal, was wird. Wohl auch, weil damit die Tür für Forderungen aus anderen Ländern geöffnet werden könnte. Oder aber, weil mögliche Zahlungszusagen vermutlich in keinem Fall den Forderungen der PiS entsprochen hätten. Das heißt: Konkret zu werden, hätte in diesem Fall womöglich sogar schaden können.

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